Papst Benedikt XVI. legt Enzyklika "Deus caritas est" vor
Ausgabe: 2006/05, Benedikt, Enzyklika, Scheuer, Liebe, Deus Caritas est, Papst, Schönborn, Küberl, Weber
02.02.2006
„Wer zu Gott geht, geht nicht weg von den Menschen, sondern wird ihnen erst wirklich nahe“, schreibt Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika.
„Ich schätze es sehr, dass Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika die Gottes- und Nächstenliebe zum Thema gemacht hat“, reiht sich Bischof Dr. Ludwig Schwarz in die Reihe derer, die Papst Benedikts Enzyklika „Gott ist die Liebe“ mit Dankbarkeit aufgenommen haben. Der Papst skizziert die Kerninhalte des christlichen Glaubens, sowohl die erotische Liebe der Menschen zueinander als auch die Liebe im Sinne von Caritas und Nächstenliebe. Er möchte eine „neue Lebendigkeit wachrufen“, nennt der Papst sein Motiv und zeigt die Grenzen der „Verherrlichung des Leibes“ auf, in welcher Eros zur Ware wird. „Liebe wird zur Sorge um den anderen und für den anderen“, schreibt Papst Benedikt. Und: Wer nur „fromm“ sein möchte, nur seine „religiösen Pflichten“ tut, dessen Gottesbeziehung verdorrt, schreibt er. Gottesliebe steht mit Nächstenliebe in Wechselwirkung.
Der Blick auf die Mitte tut gut
In seiner ersten Enzyklika hat Papst Benedikt deutlich gemacht, was ihn zutiefst bewegt: Im Zentrum des christlichen und jüdischen Glaubens steht der liebende Gott. Und das hat Folgen. Wir sprachen darüber mit Caritas-Bischof Manfred Scheuer.
Die Antrittsenzyklika wird in den Medien gerne als „Regierungsprogramm“ eines Papstes bezeichnet. Wie sehen Sie das?Scheuer: Die Enzyklika „Deus caritas est“ (Gott ist die Liebe) ist sicherlich kein Aktionsprogramm oder Strategiepapier, in dem der Papst die Linie für die nächsten Jahre vorgibt. Hier haben wir es zunächst mit einem tiefen theologischen Text zu tun, einem Bekenntnis zur Mitte des christlichen Glaubens. Aus der Enzyklika spricht ganz der Theologe Ratzinger. Er hat oft betont, dass das Christentum nicht bloß eine große Idee ist und dass es auch nicht auf Moral und Ethik verkürzt werden darf. Zuerst und zentral geht es dabei um die den Juden und Christen gemeinsame grundlegende Erfahrung: Da ist ein Gott, der die Menschen liebt. Und daraus ergeben sich tiefe Spuren in unserem Leben.
Will der Papst damit nicht doch einen besonderen Akzent für sein Pontifikat setzen? Scheuer: Ich meine schon, dass hier Papst Benedikt sehr bewusst den Finger darauf legt, was ihm wichtig ist. Und ich halte das auch für gut, dass damit die Proportionen zurechtgerückt werden und dass man sich nicht, was Glaube und Kirche angeht, ständig um zweit- und drittrangige Themen herumbewegt, sondern dass man zunächst die Mitte benennt. Ich halte es für eine zentrale Aussage der Enzyklika, dass es im Liebesgebot Jesu (Gottes- und Nächstenliebe) nicht zuerst um ein Gebot, nicht um ein ethisches Wollen und Sollen und schon gar nicht um einen moralischen Zeigefinger geht, sondern um die innere Erfahrung des Geliebtwerdens und um die Weitergabe, das Lebendigwerden dieser Liebe.
Der Papst spricht viel von Liebe, die vorab in den Medien schon heftig diskutierten „Bett-Themen“ aber fehlen. Eine Überraschung? Scheuer: Der Papst spart das Thema der Liebe zwischen Mann und Frau nicht aus. Aber er zielt nicht auf die Gebote und Regeln, sondern auf den dahinter liegenden Kern. Gottgewollt ist nicht nur die hingebende, opferbereite, auf das Wohl des anderen gerichtete Liebe (Agape), sondern auch die leidenschaftliche und lustvolle Liebe (Eros). Dort aber, wo der Eros losgelöst ist von der Agape, wird der Mensch zur Ware, zum Sexobjekt. Dem Papst geht es um die Verbindung von Eros und Agape, um die Vertiefung, Reifung und Läuterung der Liebe. Es fällt auf, dass der Papst diesen Brückenschlag der befruchtenden Ergänzung auch in anderen Bereichen aufzeigt, etwa zwischen Liebe und Gerechtigkeit, zwischen Gebet und Aktion, zwischen konkreter Nächstenliebe und globaler Verantwortung.
Im zweiten Teil der Enzyklika geht es um die konkrete Umsetzung der Liebe. Was lesen Sie als Caritasbischof heraus? Scheuer: Zunächst einmal ruft der Papst sehr deutlich in Erinnerung, dass der Dienst an den Armen und Bedrängten, die Caritas, ein Grundvollzug der Kirche ist. Sie steht gleichwertig neben Liturgie und Verkündigung. In der konkret gelebten Nächstenliebe, aber auch in der institutionellen Form der Caritas ist Kirche ganz zentral am Werk. Der Papst macht das auch in seinem Dank an alle, die sich caritativ engagieren, deutlich. Und er ermuntert sie, diesen Dienst am Nächsten aus der Quelle des Gebetes zu gestalten. Bedeutsam finde ich auch, dass der Papst den Staat in die Pflicht nimmt, um für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen und dem Gemeinwohl vor den Macht- und Geldinteressen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Kirche fordert er auf, einerseits praktische Nächstenliebe zu leben und andererseits in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten.
Interview: Hans Baumgartner
Stichwort: Enzyklika
Mit Enzyklika bezeichnet man seit dem 4. Jahrhundert kirchliche Rundschreiben. Der Name kommt vom griechischen Wort „enkyklios“ (im Kreis laufend). Seit dem 18. Jahrhundert (Benedikt XIV.) werden damit ausdrücklich nur päpstliche Rundschreiben bezeichnet. Sie sind Ausdruck des obersten ordentlichen Lehramtes des Papstes. Ihren sittlichen, pastoralen und dogmatischen Aussagen kommt eine hohe Verbindlichkeit zu, sie sind aber keine „unfehlbaren Lehräußerungen“. Enzykliken werden nach ihren Anfangsworten (z. B. Deus caritas est – Gott ist die Liebe) zitiert.
Die Liebe und ihre konkrete Verankerung im Leben
Papst Benedikt XVI. schrieb seine erste Enzyklika mit dem Titel „Deus caritas est“
Am Mittwoch vergangener Woche hat Papst Benedikt XVI. seine erste Enzyklika „Gott ist die Liebe“ veröffentlicht. Sie spricht das „Innerste des Christentums“ an und ist ein „kräftiger Rückenwind“ für die Caritas.
„Wir haben der Liebe geglaubt. So kann der Christ den Grundentscheid seines Lebens ausdrücken“, schreibt Papst Benedikt am Beginn seiner ersten Enzyklika. Mit dem Titel „Gott ist die Liebe“ (Deus caritas est) erinnert der Papst an das Einmalige des jüdischen und christlichen Glaubens: Hier ist nicht nur ein Gott, der geliebt werden will, sondern einer, der den Menschen ohne Vorbehalte zuerst geliebt hat. In Jesus Christus hat Gott diese Liebe auf unüberbietbare Weise sichtbar und erfahrbar gemacht. Daher ist die Liebe zu Gott und zu den Menschen „nicht mehr nur ein ,Gebot‘, sondern Antwort auf das Geschenk des Geliebtseins.“
Die Gründe. „In einer Welt, in der mit dem Namen Gottes bisweilen Rache oder gar die Pflicht zu Hass und Gewalt verbunden wird, ist die Botschaft von der Liebe, mit der Gott uns beschenkt hat und die von uns weitergegeben werden soll, von hoher Aktualität und ganz praktischer Bedeutung“, begründet der Papst seine Themenwahl. Weil Liebe heute ein sehr unterschiedlich gebrauchter und zuweilen auch missbrauchter Begriff sei, versucht Benedikt XVI. im ersten Teil der Enzyklika, „einige wesentliche Punkte über die Liebe zu klären und zugleich die innere Verbindung zwischen der Liebe Gottes und der Realität der menschlichen Liebe aufzuzeigen“. Im zweiten Teil spricht der Papst konkret über die praktische Umsetzung der Nächstenliebe. „Sie ist zunächst ein Auftrag an jeden einzelnen Gläubigen, aber sie ist ebenfalls ein Auftrag an die gesamte kirchliche Gemeinschaft, und dies auf all ihren Ebenen.“ Auch hier knüpft der Papst an aktuelle Herausforderungen an: an die vielfälige Armut in der Welt und an die Notwendigkeit, auf die Globalisierung mit „einer neuen Bereitschaft, dem Nächsten zu helfen“, zu antworten.
Wort des Dialogs. Interessant ist, wie Papst Benedikt das heikle Thema Liebe, bei dem der Kirche häufig vorgeworfen werde, sie „vergälle mit ihren Geboten und Verboten den Menschen das Schönste im Leben“, argumentiert. Er nimmt die Leser/innen mit auf eine intensive und zuweilen berührende philosophisch-theologische Reise und setzt im Dialog auf die Überzeugung durch Argumente. So schiebt er die Kraft und die Bedeutung der erotischen Liebe, das Beglückende der Sexualität nicht beiseite, aber er versucht auch auf die Grenzen und Gefahren dieser Liebe hinzuweisen, wenn sie nicht mehr und mehr durch die beschenkende, hingebende Liebe (Agape) zu einer Reife geführt wird, die dem ganzen Menschen, wie Gott ihn gewollt hat, entspricht.
Eine Kernfrage. Sehr deutlich wird der Papst, wenn er auf die Bedeutung der Nächstenliebe und der Caritas zu sprechen kommt. Hier handle es sich nicht um eine „Zugabe“ zum Glauben, sondern um seinen Kern. Im Hinblick auf die tiefste Verbindung zwischen Gott und Mensch in der Eucharistie sagt er: „Eucharistie, die nicht praktisches Liebeshandeln wird, ist in sich selbst fragmentiert.“ Und weiter heißt es: „Wenn ich die Zuwendung zum Nächsten aus meinem Leben weglasse und nur ,fromm‘ sein möchte, nur meine ,religiösen Pflichten‘ tun, dann verdorrt auch die Gottesbeziehung. Sie ist nur noch ,korrekt‘, aber ohne Liebe.“
Stimmen
Ein gutes Echo
Die Enzyklika „Gott ist die Liebe“ von Papst Benedikt stieß auf ein breites positives Echo. Daraus einige Stimmen.
Kardinal Schönborn betonte, es sei bedeutsam und bemerkenswert, dass der Papst nicht einzelne Moral- und Lehrfragen behandelt habe, sondern das zentralste Thema des christlichen Glaubens anspricht. Schönborn sieht in der Enzyklika auch „eine klare Ermutigung der Caritas“, sich trotz manch kritischer Stimmen auch weiterhin für faire Rahmenbedingungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft einzusetzen.
Caritas-Präsident Küberl wertet die Enzyklika als „kräftigen Rückenwind“ für die Caritas. Sie sei ein „massiver Aufruf an alle Katholiken, die Ärmel hochzukrempeln und den Anspruch der Nächstenliebe im täglichen Leben und in der kirchlichen Gemeinschaft umzusetzen“. Außerdem legte der Papst klar, dass es Hauptaufgabe des Staates sei, für Gerechtigkeit zu sorgen.
Der evangelische Bischof Friedrich Weber (Braunschweig) begrüßte die Enzyklika. Der darin aufgezeigte untrennbare Zusammenhang von christlichem Glauben und sozialem Engagement sei auch für die evangelische Kirche wesentlich, sagte der für die Beziehungen zur katholischen Kirche in Deutschland verantwortliche Bischof. Weber stellte sich auch hinter die Mahnung des Papstes, Liebe nicht zum rein körperlichen Sex zu degradieren. Auch der Tübinger Theologe Hans Küng äußerte sich positiv zur Enzyklika. Er wünscht sich allerdings ein zweites Rundschreiben über gerechte Strukturen und den liebevollen Umgang in der Kirche.
- Enzyklika im Wortlaut: Internet: www.kirchenzeitung.at; oder als Broschüre: Behelfsdienst, Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz. Tel. 0732/ 76 10 3813 (1,8 Euro plus Versand).