4500 Gottesdienstbesucher/innen pro Sonntag und kaum eine/r über 50 Jahre alt. Was dahintersteckt, galt es in London auf einer Studienreise zu entdecken, zu der 31 Vertreter/innen österreichischer Diözesen aufgebrochen waren.
Ausgabe: 2016/25
21.06.2016 - Veronika Fehle
„Schön, dass Sie da sind! Nehmen Sie sich doch einen Kaffee“, so wird jede/r, der den Weg in eine der vier Kirchen der anglikanischen Pfarre „Holy Trinity Brompton“ (HTB) findet, begrüßt. Die Frauen und Männer vom „Welcome-Service“ meinen es ernst. Das macht ein gutes Gefühl und schon ist man live dabei – beim Sonntagsgottesdienst in HTB, bei dem man erlebt, wie Begeisterung aussieht. Die Formel dafür: „teach, testimony, time – Lehre, Zeugnis, Zeit“. Und letztlich ist glauben (fast) alles.
Wachsen
Begonnen hat das alles vor rund 30 Jahren, als ein junger Priester, Sandy Millar, in die Pfarre Holy Trinity Brompton kam. Der Gottesdienstbesuch war mau. Heute ist HTB eine jener Pfarren innerhalb der anglikanischen Diözese London, die stetig wächst und gedeiht. Aber warum? Vielleicht, weil unter anderem Sandy Millar – und mit ihm viele Mitstreiter/innen – erkannt haben, was die Menschen brauchen, heute und eigentlich immer schon.
Lehren
„Wir müssen sie die Frohe Botschaft lehren. Viele haben noch nie davon gehört. Deshalb sag allen, dass du alles auf der Basis des Evangeliums tust. Das ist ,Lehre‘. Finde dann einen Menschen, dessen Leben sich durch Gott verändert hat und gib ihm das Mikrophon. So hören die Menschen nicht immer nur vom Priester, was sie tun sollten. Und drittens, nimm dir Zeit. Viele überschätzen, was in einem Jahr möglich ist und unterschätzen, was sich in fünf Jahren entwickelt“, lautet der Drei-Schritt nach Sandy Millar. Einen vierten Schritt gibt er noch als Zugabe mit: „Wollt ihr, dass junge Menschen in eure Kirchen kommen, dann spielt andere Musik.“ Das Beste daran ist: Es funktioniert. HTB expandiert. Pfarrneugründungen sind an der Tagesordnung. „Ein traditioneller Gottesdienst ist für Jugendliche heute wie ein Film, den sie nur ab der Hälfte sehen. Vom ersten Teil haben sie nie etwas gehört. Deshalb kommen wir ihnen so weit entgegen, dass sie anknüpfen können“, erklärt Nicky Gumbel, Nachfolger von Sandy Millar und Leiter der Pfarre HTB. Dazu gehört eben auch, dass die Musik anders ist, dass die Kirchenbänke durch Sitzkissen und Sofas ersetzt wurden oder dass die Priester eben keine Messgewänder tragen und in ganz alltäglicher Sprache predigen. Tatsache ist, die Jugendlichen kommen und viele bleiben. Das liegt natürlich auch an der Art der Kommunikation, die für jede Zielgruppe eigens entworfen wird – sprich: „Stell dir deine Zielgruppe genau vor und dann richte alles auf sie aus. Kümmere dich nicht, wenn es nicht allen gefällt.“
Beitragen
Deshalb hat in HTB auch der Flyer neben einem online Ehevorbereitungskurs Platz. Und noch etwas: bei HTB versucht man nie Lücken im pfarrlichen Angebot zu stopfen, sondern man fragt, was Menschen beitragen wollen. So entsteht vieles, und anderes bleibt eben offen. Heute hat HTB 300 hauptamtliche Mitarbeiter/innen. Pro Gottesdienst sind 50 Ehrenamtliche im Einsatz. Das Konzept HTB scheint aufzugehen.