Erwin, Maria, Martin, Hund und Oma Herta blicken durchaus mit Zuversicht in die Zukunft.
Die Bauern stehen an der Wiege des Wohlstands. Diese Botschaft steht in der Broschüre „Erfolgreiches Agrarland OÖ“, die von Landesrat Dr. Josef Stockinger herausgebracht worden ist. Der Historiker Univ.–Prof. Dr. Roman Sandgruber zeigt darin die Entwicklung der Landwirtschaft seit 1945 auf. Etwa, dass nach dem Krieg ein Beschäftigter in der Landwirtschaft den Tisch von zwei Personen deckte, heute versorgt ein Bauer 68 Personen ...
Donnerstag. Am „Oberweingartner“-Hof der Familie Hossinger ist Großeinsatz. Es muss alles hergerichtet werden fürs Marktfahren am Freitag. Zumindest seit drei Generationen hat der Verkauf am Markt in der Familie Tradition. Ihr Hof liegt in St. Magdalena auf Linzer Gemeindegebiet. Oma Herta kann sich erinnern, wie ihre Mutter vor dem Zweiten Weltkrieg noch auf der Promenade vor dem Landhaus ihre bäuerlichen Produkte angeboten hat. Nun bringt Familie Hossinger Milchprodukte und verarbeitetes Schweinefleisch jeden Freitag zum Südbahnhofmarkt. Seit einem Jahr wird am Donnerstag auch Ab-Hof verkauft.
Markt fahren. Der Oberweingartnerhof liegt an einem Südost-Hang zum Donaubecken hin. Bergbauernzone 3 – steiles Gelände, Viehzucht, Wald, kaum Ackerbau. Die Höfe hier sind nicht groß. Durch die Stadtnähe war der Markt früher ein wichtiger Einkommens-Bestandteil für alle Magdalener Bauern. Heute fahren nur noch zwei zum Markt.
Rahm und Butter. Einst ist Oma Hossingers Mutter mit dem einachsigen Leiterwagen, den auch noch der Hund mitgezogen hat, auf den Markt gefahren. Viel konnte sie nicht mitnehmen, aber immerhin schon weiter verarbeitete Produkte – Rahm und Butter. An heißen Tagen war die Kühlung eine Herausforderung – so wurde Butter in frische Krenblätter eingewickelt. Milch nahm die Bäuerin nicht mit, die hat ein anderer Bauer von Haus zu Haus zugestellt. Nach dem Krieg, so erinnert sich die heute 80-jährige Oma, brachte ihre Mutter auch Äpfel zum Markt. Sohn Erwin und seine Frau Maria haben das Markt-Standbein dann ab 1982 ausgebaut.
Der Weg der Milch. Beim Oberweingartner gab es früher acht, neun Kühe, heute sind fünfzehn im Stall oder – wie jetzt – auf der Weide. Die Milchleistung ist enorm gestiegen. Mit 15 Liter Tagesleistung war eine Kuh früher eine Spitzenkuh, heute sind dafür 35 bis 40 Liter notwendig. Auch das Liefersystem hat sich verändert. Früher brachten die Hossingers eine Zeit lang die Milch zum Milchverkäufer beim Pleschinger See gebracht. Der konnte oft nicht alles abnehmen. Das Marktfahren brachte weitere Abnehmer veredelter Produkte. Nach dem Krieg musste die Milch zur Sammelstelle nach Magdalena transportiert werden, wo sie die Molkerei täglich abholte. Dann wurde auf Tankwagen umgestellt. Da am Oberweingartner-Hof nicht zumindest 70.000 Liter Milch jährlich anfallen, muss die Milch auch jetzt wieder, allerdings zu einer anderen Sammelstelle gebracht werden. Sie wird jeden zweiten Tag geholt.
Urlaub. Martin ist mit 14 Jahren das jüngste Kind von Erwin und Maria. Tochter Andrea ist 21 und Sohn Hannes 24 Jahre alt. Martin möchte auch Bauer werden. Schon heute hilft er mit, was ihm angeschafft wird. Am liebsten fährt er aber Traktor. Und wenn die Eltern Urlaub machen wollen, springen die Kinder ein. Gleich mehrere Tage hintereinander Urlaub – das gab es ohnedies die ersten zwanzig Ehejahre nicht. Seit einigen Jahren gehen sich jährlich fünf Tage in Kärnten aus. Oma Hossinger war überhaupt nur zwei, drei Tage mit der Ortsbauernschaft weg. Der Maschineneinsatz und die Hilfe durch den Maschinenring hat die meiste Veränderung gebracht, sagt Erwin Hossinger. Als er klein war, gab es am Hof schon einen Traktor, aber der Fortschritt ist enorm. Heute findet man kaum mehr Maschinen für so kleine Landwirtschaften wie die seine.
Zusätzliche Erwerbsquellen. Warum keine Schafe? Warum keine Mostschänke, so nahe der Stadt und an beliebter Wanderer-Strecke? „Man muss sich auf etwas konzentrieren“, sagt Erwin Hossinger. Eine Mostschänke geht mit der Stallarbeit nicht zusammen. Um fünf Uhr Nachmittag, wenn die Gäste kommen, sollst im Stall sein. „Da müssten mehr Leute da sein ...“ – Noch 1945 waren zwei Fünftel der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig. Heute ist es etwa ein Zwanzigstel. „Außerdem will ich an einem Sonntag nicht, ich möchte auch mit der Familie etwas unternehmen. Diese Ziele lassen sich mit dem Marktfahren vereinbaren“, nennt Maria Hössinger einen weiteren wichtigen Grund.
Blick in die Zukunft Für Agrar-Landesrat Dr. Josef Stockinger zeichnen sich für die kommenden 25 Jahre einige landwirtschaftliche Trends klar ab: Die Leute werden nicht mehr als heute essen, haben aber weniger Zeit zum Kochen und legen andererseits mehr Wert auf Qualität. Gespaltener Konsument: Unter der Woche Fast Food, am Wochenende Qualität.Andererseits, so Stockinger, ist Landwirtschaft auch im weltweiten Zusammenhang zu sehen. Noch immer hungern 800 Millionen Menschen. Das sei eine Frage der Verteilung. Der Bauer der Zukunft, davon ist Landesrat Stockinger überzeugt, wird wieder mehr Energielieferant sein. Was bei uns vor zwanzig Jahren als Pionierleistung begonnen hat – Pellets, Hackschnitzel ... – hat große Zukunft. Die Landwirtschaft wird Lieferant nachwachsender Rohstoffe etwa für Verpackungsmaterialen wie Joghurtbecher sein. Erdöl-Stoffe werden durch kompostierbare Rohstoffe ersetzt ... – Von der Überproduktion zur Rohstoffversorgung. Die Bauern werden sich noch stärker spezialisieren und Kombinierer werden. Und, so hofft Stockinger, sie werden weiterhin das Landschaftsbild prägen durch flächendeckende Bewirtschaftung.