12.08.2005 - Susanne Schlögl ist freiberufliche Sängerin und Gesangspädagogin.
Seit Kindheit hat sich mir dieses Marienlied eingeprägt: „Maria, dich lieben ist allzeit mein Sinn . . .“ (Gotteslob 594). Vielleicht liegt es an seiner ausgeprägten Einfachheit, die dem kindlichen Hören entgegenkommt. Außer dem jeweils tiefen Auftakt bleibt das ganze Lied im Fünf-Ton-Raum eines Dur-Dreiklanges. Und von den vier Textzeilen einer Strophe haben drei die gleiche Melodie (erste, zweite und vierte Textzeile). Die Melodie der dritten Zeile dazwischen spielt mit einem neuen kleinen Motiv, das sich absteigend wiederholt, um wiederum in das Vertraute des Anfangs zu münden. Man vermutet, dass die Melodie ursprünglich einem weltlichen Lied angehörte. Und wir im österreichisch-bayrischen Raum singen ein weihnachtliches Volkslied, das diesem Marienlied erstaunlich ähnelt und seinen Ursprung im Tiroler Brixental hat: „Es wird scho glei dumpa, es wird scho glei Nacht“. Der ursprünlich überschwängliche Text, in dem Maria als eine Art Göttin erschien, wurde von Friedrich Dörr 1972 im nachkonziliaren Sinn erneuert: Maria wird im großen Rahmen des Christusgeheimnisses gesehen. Maria gilt als das große Vorbild und das Inbild des offenen und hörenden Menschen, der durch ein unerschütterliches Vertrauen auf Gott selber das Göttliche zur Welt bringt. Ihr „Herz war der Liebe des Höchsten geweiht“ und sie war offenbar mit einem Selbstwert begnadet, der sie glauben lassen konnte, dass Gott selbst einen höchst persönlichen Weg mit ihr beginnen wollte – so konnte „geschehe(n), wie er (der Engel) es gesagt hat“.
Durch sechs Strophen hindurch begleiten wir Maria von der Verkündigung durch den Alltag hin zum Kreuz, wir rufen sie an als Hilfe und Orientierung. Als königlicher Mensch ist sie „Freude der Erde“ und zugleich „himmlische Zier“. Einen solchen Menschen zu lieben ist ratsam, denn Angelus Silesius sagt uns: „Mensch, was du liebst, in das wirst du verwandelt werden!“