26.01.2005 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Herbert Schicho
Gesundheits-Päpste, Fitness-Kult, Wellness-Tempel. Man geißelt sich, wallfahrtet zu heiligen Quellen und fastet. Gesundheit wird zur Religion.
„Hauptsache, gesund bleiben!“ Dafür opfern manche Menschen ihr Leben. Dr. Manfred Lütz ist nicht nur Mediziner, sondern auch Theologe. Und er entlarvt den Gesundheitswahn, sieht darin eine neue Religion. „Ich halte die Gesundheitsreligion erstens für albern, zweitens für anstrengend, drittens für teuer, viertens für lebensgefährlich und überhaupt für eine abscheuliche Sekte.“ Die Dogmen der neuen Glaubensgemeinschaft: Gesundheit ist das höchste Gut und Gesundheit ist herstellbar, bei Nichterfüllung Klage.Die Auswirkungen sind bekannt: Gesellschaftlich explodieren die Kosten des Gesundheitssystems und persönlich geht es uns auch nicht besser. Diät-Sadismus vergällt einem die Freude am Essen. Der Fitness-Stress lässt freie Stunden am elektronischen Laufband vergehen. Dahinter steht, so Lütz, die Abwehr des letzten Tabus unserer Gesellschaft: des Todes. Doch das „ewige Leben auf Krankenschein“ gibt es nicht. Gegen diese Religion gelte es laut Lütz aufzutreten.
Heilung
Lütz tritt für einen gelasseneren Umgang mit Krankheit und Schmerz ein, für ein lustvolles Leben, in dem Behinderung, Krankheit, Alter und Tod angenommen und integriert werden. Lebenslust sei nicht das tägliche Abrackern im Fitness-Studio oder eine krampfhafte Knäckebrotdiät.Nicht Fitness für ein möglichst langes Leben, sondern Lust am Leben, sollte die Devise sein. „Es gibt Menschen, die leben von morgens bis abends vorbeugend, um eines Tages gesund zu sterben“, so Lütz. Auch sei ein langes Leben nicht unbedingt erfüllter als ein kurzes. Zu einem erfüllten Leben gehören eben Krankheit, Leid und Tod.