Daniel Pittet wurde als Kind ab 1968 über vier Jahre hindurch von Pater Joël Allaz oftmalig vergewaltigt. Sein nun auf Deutsch erschienenes Buch „Pater, ich vergebe Euch!“ beeindruckt nicht nur durch die Offenheit des Autors. In einem Interview am Ende des Bandes wird auch versucht, den Täter zu Wort kommen zu lassen, der mittlerweile in den Laienstand zurückversetzt wurde. Der Versuch (die Erinnerungen des 77-Jährigen bleiben zum Teil eher dunkel) ist wichtig, weil die Täterperspektive bei der Verhinderung künftiger Taten helfen kann.
Der Hauptteil des Buches ist die Lebensgeschichte von Daniel Pittet. Sie beschränkt sich nicht auf die Jahre des sexuellen Missbrauchs ab dem achten Lebensjahr, sondern zeigt auch eine problematische Familiengeschichte und seinen Werdegang nach den Vergewaltigungen. Gerade Letzteres erklärt sowohl die schwerwiegenden Folgen des Missbrauchs als auch, warum Pittet nicht mit der Kirche gebrochen hat, ja sich sogar in ihr engagiert: So fand er im Kloster Einsiedeln Halt, traf auch Ordensleute und Priester, die Vaterfiguren und Freunde wurden.
Viele andere Opfer brachen nach den Gewalttaten mit der Kirche, was man nachvollziehen kann. Pittets Geschichte ist anders verlaufen und vielleicht hat Papst Franziskus gerade deshalb ein Vorwort zum Buch verfasst – auch wenn an zwei, drei Stellen Ausdrücke fallen, die man nicht in einem Buch mit Papstvorwort erwarten würde. Aber wer kann das dem Autor verübeln? H. Niederleitner
D. Pittet: „Pater, ich vergebe Euch“. Mit einem Vorwort von Papst Franziskus. Verlag Herder, 224 Seiten, 22,70 €, ISBN 978-3-451-37914-7