Nach dem Tod eines Rekruten der Garde haben sich viele ehemalige Präsenzdiener kritisch zu den Zuständen beim Bundesheer geäußert. Die KirchenZeitung fragte den Militärseelsorger Stefan Gugerel, ob und wie er von Problemen der Soldaten erfährt.
Ausgabe: 2017/34
22.08.2017 - Paul Stütz
Aus seiner Zeit als Seelsorger an der Heeresunteroffiziersakademie in Enns kennt Militärseelsorger Stefan Gugerel die Angst der angehenden Bundesheerausbildner: „Wenn man zu freundlich ist, wird man nicht ernst genommen.“ Hier brauche es vielleicht mehr Fingerspitzengefühl, meint Gugerel. In seinen Militärethikkursen habe er dem Kaderpersonal vermittelt, dass man Rekruten nicht klein machen muss, um sich durchzusetzen. „Am besten kommt man auch beim Heer voran, wenn alle an einem Strang ziehen.“
Der Erstkontakt der Militärseelsorger zu den Rekruten passiert zu Beginn der Grundausbildung über den „lebenskundlichen Unterricht“. Vor dem Abrüsten füllen die Präsenzdiener zudem einen Evaluierungsfragebogen des Bundesheeres aus. Die Rückmeldungen betreffen dabei auch die Arbeit der Ausbildner. Gugerel: „Meine Erfahrung ist, dass man auf Kritik Rücksicht nimmt.“
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Besonders über soziale Medien haben sich Soldaten während des Grundwehrdienstes bisher an den Priester gewandt. Meistens ging es um Fragen in Bezug auf Beziehung oder Probleme mit der Familie. Selten drehen sich die Anfragen um Missstände beim Heer: „Wir sind als Militärseelsorge keine Disziplinarkommission, aber wir hören den Menschen zu“, sagt Gugerel.
Er hat nach dem Tod des Rekruten in Horn Unbehagen, was die mediale Aufarbeitung des Falls betrifft. „Der Tod eines Menschen darf nicht verzweckt werden“, stößt er sich an pauschaler Kritik am Bundesheer und seinen Praktiken. Natürlich habe ihn der tragische Vorfall geschockt, seine Gedanken gelten den Kameraden und der Familie des Rekruten, so Gugerel, dem in der Vergangenheit über etwaige Missstände in der Kaserne Horn nichts zu Ohren gekommen war.
Auch wenn einige Ex-Rekruten des Bundesheers nun mit Vorwürfen an die Öffentlichkeit gehen, glaubt der Seelsorger, dass „Präsenzdiener oft nur scheinbar in einer machtlosen Position sind. Ihnen steht die Möglichkeit der Beschwerde bei Vorgesetzten offen“, so Gugerel. Dazu hält der Priester die Rekruten auch an, wenn ihm gröbere Missstände berichtet werden. Das komme am ehesten am Beginn der Grundausbildung vor, wenn man sich noch nicht an die Umstände gewöhnt habe. Stefan Gugerel betont, dass verbale Entgleisungen oder Schikanen gegenüber Untergebenen, die der Parlamentarischen Bundesheer-Kommission gemeldet würden, nicht ungestraft bleiben.
Die Jahresberichte der Kommission, die auf der Parlamentshomepage zu finden sind, machen jedenfalls deutlich, dass der Ton im Bundesheer teilweise sehr rau ist. Beschimpfungen wie „Nehmen Sie sich einen Strick und hängen Sie sich auf!“, werden dort aufgelistet. Ein Unteroffizier erteilte den Befehl, auf einer frisch mit Kuhmist gedüngten Wiese zu robben. Auf Nachfrage der KirchenZeitung beim Verteidigungsministerium, welche konkreten Konsequenzen es dafür gebe, verweist ein Heeressprecher auf eine offizielle Stellungnahme. Dort ist etwas schwammig von Disziplinarstrafen und Ermahnungen die Rede, nicht von konkreten Maßnahmen. Von außen ist also nicht abschätzbar, welche Auswirkungen die Verfehlungen wirklich hatten. «
Katholische Jugend: „Beim Zivildienst gibt es keinen Drill“
Die Katholische Jugend unterstreicht gegenüber der KirchenZeitung ihre alte Forderung nach Gleichstellung von Bundesheer und Zivildienst. Zivildiener sollen nicht drei Monate länger mehr ableisten müssen als Präsenzdiener, sagt Matthias Kreuzriegler, Vorsitzender der Katholischen Jugend im Gespräch mit der KirchenZeitung. Außerdem wünscht der ehemalige Zivildiener, dass die Frage für junge wehrpflichtige Männer lautet: „Möchten Sie zum Bundesheer oder zum Zivildienst?“. Im jetzigen Modell läuft es so, dass die tauglichen Männer automatisch dem Wehrdienst zugeteilt werden, wenn sie nicht eigens den Zivildienst beantragen. „Übermäßiger Drill beim Bundesheer ist nicht mehr zeitgemäß“, betont Kreuzriegler außerdem. Für manche jungen Männer möge der Bundesheerdrill ja grundsätzlich passen. Wer damit nicht klar kommt, habe im Zivildienst eine gute Alternative: Er kenne keine Zivildiensteinrichtung, wo militärischer Umgangston und Drill vorherrsche, so Kreuzriegler.