Je mehr man sich für alle Fälle rüstet, desto schwerer hat man daran zu tragen. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2017/33
14.08.2017 - Matthäus Fellinger
Dies noch. Das noch. Für alle Fälle. Gott sei Dank leben wir nicht in einer Zeit des Mangels. Was noch in den Koffer muss. Was wir uns für die Eventualitäten des Alltags noch zulegen könnten. Man will gerüstet sein –für alle Fälle. Spezielle Scheren für Fingernägel, ganz andere für die Zehen. Das ist das moderne Leben.
Doch welch erstaunliche Entdeckung: Je mehr man sich für alle Fälle rüstet, desto schwerer hat man daran zu tragen. Beim Koffer spürt man es, im Alltag auch. Man muss sich kümmern um all die Sachen. Und was einem eigentlich das Leben leichter machen sollte, wird zum Kümmernis. Auch die hilfreichsten Dinge können zur Last werden. Können nicht nur. Sie werden es. Wer wirklich für alle Fälle gerüstet sein will, darf sein Leben nicht mit Dingen verstellen. Er braucht das Freisein – für alle Fälle. Die Freiheit ist es, die zuerst verlorengeht, wenn man sich mit so vielem umgibt, um das man sich zu kümmern hat. Wie gut tut es, wenn man auf einen Menschen trifft, der Zeit hat. Zeit! Dieses kostbare Gut. Man sollte sich gut überlegen, wofür man sie einsetzen will. Das wäre schön, wenn man es könnte: mit weniger zu leben, um frei genug zu sein – füreinander. Einen Platz und eine Stunde sollte man stets frei haben – für den unerwarteten Gast.