St. Thomas am Blasenstein: Mumie erstmals wissenschaftlich untersucht
Ausgabe: 2001/09, St. Thomas, Mumie, luftgselchter Pfarrer, Ötzi
27.02.2001 - Josef Wallner
Die Geschichte des mumifizierten Leichnams in St. Thomas ist von Legenden umrankt. Der „Ötzi“-Experte Mag. Dr. Bernhard Mayer will nun das Rätsel um die Mumie lüften. Doch diese gibt ihre Geheimnisse – noch – nicht preis.
Der „luftgselchte Pfarrer“ in der Gruft unter der Pfarrkirche von St. Thomas gibt seit Generationen Stoff für Spekulationen und gruselig-schaurige Geschichten. Vom Wunder über verschiedene Gifte bis über radioaktive Strahlung – vieles muss als Erklärung dafür herhalten, warum der Leichnam bis heute nicht verwest ist. Bei der Mumie handelt es sich – so die Tradition – um den Chorherrn Franz Xaverius Sydler des Rosenegg. In Kreuzen als 13. Kind des Schlossvorstehers geboren (1709), war er zuletzt drei Jahre Pfarrer in St. Thomas, wo er 1746 starb.
Rätsel über Rätsel
Im Volksmund wird überliefert, dass er an Epilepsie verstorben ist. Die Unverwestheit sei ein Fingerzeig Gottes, ihn als Helfer in dieser Krankheit anzurufen. Der Maler und Heimatforscher Prof. Herbert Hiesmayr aus St. Thomas und Dr. Bernhard Mayer von der Klinik für klinische Pharmakologie in Wien haben nun eine wissenschaftliche Untersuchung in Angriff genommen. Mayer, der auch mit der Gletscherleiche „Ötzi“ befasst war, legt einen ersten Zwischenbericht vor: „Die Röntgenaufnahmen der Munie brachten viele interessante Details zu Tage, den Grund für die Mumifizierung lieferten sie aber nicht“, so Mayer: „Ein absolutes Rästel.“ Künstliche Mumifizierung sei eher auszuschließen. Mayer wird aber nicht locker lassen. Ein Forschungsprojekt zur Mumie von St. Thomas, das von Herbst 2001 bis 2003 dauern soll, könnte Klarheit schaffen. Oder das Eingeständnis, das der „luftg’selchte Pfarrer“ ein Geheimnis bleibt.Die Röntgenbilder zeigen einen unversehrten Brustkorb. Das macht wahrscheinlich, dass der Leichnam nie unter der Erde lag. Im Mittelbauch wurde eine Kugel sichtbar. Man vermutet, dass diese oral eingenommen wurde, was sie enthielt, ist nicht benannt. Die Machart der Schuhe weist auf eine höher gestellte Person hin, die einen Spreizfuß hatte. Die unregelmäßige Abnützung der Zähne gibt über ein kleines Laster Aufschluss: Der Herr Pfarrer war Pfeifenraucher.
Würdiger Raum für Leichnam
Die Untersuchungen wollen keinesfalls die Würde des Toten antasten, so. Prof. Hiesmayer, sie seien vielmehr Vorausssetzung für eine neue Präsentation der Mumie. Eine luftdichte Vitrine soll den allmählichen Verfall des Leichnams langfristig stoppen. Weitere Vitrinen mit einem Messgewand und einem Talar werden den Besuchern der Gruft einen Eindruck von der Zeit des „luftgselchten Pfarrers“ vermitteln. Bis zur Landesausstellung 2002 in Waldhausen soll die Neugestaltung abgeschlossen sein und ein attraktives Ausflugsziel bilden.