In Senegal wird im Kampf gegen Lepra auf traditionelle Heilkunst gesetzt
Ausgabe: 2001/04, Senegal, Lepra
23.01.2001 - Walter Achleitner
Keur Massar gilt als das Zentrum für traditionelle Heilkunst in Senegal. Im Kampf gegen Lepra arbeiten hier Heiler und Ärzte eng zusammen. Zum Weltlepratag am 28. Jänner zieht die Caritas Innsbruck Zwischenbilanz über ein erfolgreiches Projekt.
Keur Massar, der Vorort der senegalesischen Hauptstadt Dakar, ist nicht nur wegen seines Krankenhauses bekannt. Hier finden Kranke Hilfe bei traditionellen Heilern und deren Arzneien. Keur Massar gilt aber auch als Zentrum des westafrikanischen Landes im Kampf gegen Lepra. „Das wirklich überraschende ist“, sagt Bernhard Fischer, „dass hier traditionelle Heiler und sogenannte Schulmediziner zusammenarbeiten.“ Und der Afrika-Referent der Caritas Innsbruck berichtet gegenüber der Kirchenzeitung von dem seiner Meinung nach einzigartigen Projekt. Das „traditionelle Krankenhaus Keur Massar“ wurde 1980 von Dr. Yvette Parès gegründet. Ziel der französischen Ärztin war es, das Wissen traditionellen Heiler einzusetzen, besonders im Kampf gegen Lepra.
In Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät der Universität Dakar wurden die einzelnen Heilmittel analysiert. Und je nach Erfahrungen sowie eigenen Stärken wurden für die zur Behandlung notwendigen Schwerpunkte auf sechs Heiler verteilt.
Billigere Arzneien
In einer der sechs Rundhütten ordiniert Abdoulaye Faty. In Keur Massar gilt er als Spezialist für psychiatrische Krankheiten. Nicht nur, dass Patienten ihm und seinem ganzheitlichen Ansatz mehr Vertrauen entgegenbringen als modern ausgebildeten Ärzten. Seine, auf langer Erfahrung basierenden Arzneien sind auch um vieles billiger als die in Senegal importierten Industrieprodukte. Die Herstellung traditioneller Heilmittel in Keur Massar wurde in den letzten Jahren mit österreichischer Hilfe ausgebaut. Neue Lagerräume für Blätter, Rinden und Wurzeln entstanden, eine Anlage zum Waschen der Flaschen sowie zum Abmischen der Kräuter wurden errichtet. Zu dem von der Caritas Innsbruck unterstützten Lepraprojekt in Senegal zählen neben Keur Massar auch drei Dörfer. Eines davon ist Koutal, 200 Kilometer östlich von Dakar. In der einst als Dorf der Aussätzigen entstandenen Siedlung leben zwar nach wie vor Menschen, die an Lepra erkrankt waren, die heute aber als geheilt gelten. Die besondere Sorge gilt den Familien, besonders aber ihren Kindern. Denn die Armeleute-Krankheit bricht oft erst 17 Jahre nach der Infektion aus. Vitaminreiche Ernährung zählt zu den erfolgreichsten Mitteln, um sich vor der Krankheit zu schützen. Und den Jugendlichen gelingt es, auch soziale Barrieren zu durchbrechen. Bernhard Fischer: „Mit einem Schulabschluss im Gymnasium der Provinzstadt Kaolack zeigen sie, dass im einstigen Lepradorf auch Chancen für die Zukunft stecken.“
Hintergrund
Zahlen belegen den Erfolg
Das Krankenhaus Keur Massar in Senegal gilt als das Lebenswerk von Yvette Parès. Die französische Ärztin hat ihr Leben dem Kampf gegen die Lepra gewidmet. Und geht es „nur“ nach statistischen Zahlen, so hat nach jahrzehntelangen Bemühungen das westafrikanische Land auch ein ehrgeiziges Ziel erreicht: statistisch gilt die Krankheit nicht länger als „öffentliches Gesundheitsproblem“, ein entscheidender Etappensieg gegen die Armeleute-Krankheit. Denn nach den jüngsten von der UN-Weltgesundheitsorganisation WHO vorgelegten Zahlen waren am 1. Jänner 2000 in Senegal 469 Fälle registriert, das entspricht 0,5 Erkrankungen pro 10.000 Einwohner. (Ein Fall pro 10.000 gilt als kritische Marke.) Noch vor 15 Jahren zählte Senegal zu den 32 von Lepra am meisten betroffenen Staaten. Und wurden 1985 in diesen zusammen vier Millionen Fälle gegistriert (21,1 pro 10.000), so ist die Zahl auf 720.371 (2,8 pro 10.000) im Jahr 1999 gesunken. Parallel dazu ist die Zahl neu entdeckter Fälle kontinuierlich gestiegen: von 550.224 (1985) auf 716.673 im Jahr 1999. In Senegal wurden im selben Jahr 474 Neuerkrankungen registriert.1985 waren es insgesamt 122 Länder, in denen Lepra als „öffentliches Gesundheitsproblem“ ausgewiesen wurde. Im Jahr 2000 verringerte sich deren Zahl auf 24. Und laut WHO wird das Auftreten der Krankheit nur mehr in 91 Staaten gemeldet. Über zehn Millionen Menschen konnten alleine 1999 geheilt werden. Die nach wie vor höchste Rate an Leprafällen weisen Burma und Nepal auf. In Absoluten Zahlen liegt jedoch Indien vor Brasilien: fünf von sieben Leprafällen wurden im vergangenen Jahr in Indien neu entdeckt und behandelt.