Ohne Herbergsuchen kein richtiges Weihnachten – einige Beispiele
Ausgabe: 1999/48, Herbergsuche
30.11.1999 - Maria Haunschmidt
Das Herbergsuchen gehört in vielen Pfarren zum Advent wie die Krippe zu Weihnachten. Ein Brauch – oder mehr?
- Es ist schon „dumpa“. Die Küchenuhr zeigt fast 17 Uhr. Nun wird das Aufgabenheft zur Seite gelegt, der Fernseher bleibt still. An neun Tagen bis hin zu Weihnachten wird im kleinen Mühlviertler Dorf Freudenthal, Pfarre Waldburg, das Herbergsbild in Begleitung der Dorfgemeinschaft mit einem Ritual von Haus zu Haus weitergetragen. Das ist so seit sicher 60 Jahren, sagen die Älteren. Entsprechend ehrwürdig ist das Herbergsbild – schon etwas vergilbt sind die bunten Papierrosen am Rahmen. Vor einigen Jahren nahmen sich nicht mehr so viele wie jetzt die halbe Stunde Zeit für die Herbergsuche – viele Frauen sind außer Haus berufstätig, die Männer Pendler. Dass der Brauch jetzt wieder verstärkt aufgelebt ist, freut alle – vielleicht ist es ein Stück Wärme, wenn das Leben draußen, außerhalb der Ortsgemeinschaft, kälter wird. Menschen halten inne in der Hast des Alltags, steigen aus der Tretmühle aus, lassen andere Gedanken zu ... Gott zur Ehre, sich selbst zur Einkehr. Fast 30 Leute stapfen heute durch die Winterlandschaft – die Kinder mit ihren Laternen. Diesmal wird das Bild im Einfamilienhaus der Familie Klampferer „abgeholt“. Die Stimmung ist feierlich. Im Wohnzimmer spricht Melitta Klampferer ein Gebet. Nach einem Lied führt der Weg durch die verschneite Landschaft zum Bauernhaus der Familie Steininger, vulgo Riepl. Nach vier Strophen von „St. Josef geht von Tür zu Tür“ kommt Elfi Steininger heraus und übernimmt das Bild mit einem Kuss. Sie stellt das Bild dann mit einer Begrüßungsformel zum Herrgottswinkel. Es folgen ein Rosenkranzgesätzchen, der „Engel des Herrn“ und ein Marienlied. Zwei Kinder lesen Gebete vor. Nach der Andacht eilen alle nach Hause; den Kindern gefällt, dass sie noch ein paar Worte mit ihren Freunden wechseln können. „Ein schöner Brauch!“, sagen die Älteren, denen die Texte längst auswendig von den Lippen gehen.
Junge Familien feiern neu
- In Auerbach in der Nachbarpfarre Hirschbach hat Martina Maier mit jungen Familien den Brauch in neuerer Form wieder belebt. Die ausgebildete Religionslehrerin und vierfache Mutter setzt sich seit vielen Jahren intensiv mit dieser Feierform auseinander. Sogar als Referentin wurde sie schon eingeladen. „Alt und Jung lassen sich beim Herbergsuchen schwer unter einen Hut bringen. Die junge Generation möchte ihre eigene Form“, so ihre konkrete Erfahrung. „Bestehende Bräuche sollte man mit Neuerungen nicht stören, sondern lieber mit Kindern ganz neu mit neuen Riten, Liedern und Gebeten beginnen!“ rät sie. In ihrem Dorf wird ein Marienbild gemeinsam in dem Haus abgeholt, in dem es im Vorjahr verblieben ist, und dann nach einem Wanderplan weitergereicht. In Erinnerung an das Herbergsuchen ihrer eigenen Kindheit träumt sie aber davon eines Tages für ihr Dorf eine Statuengruppe mit schwangerer Maria und dem fürsorglich über deren Schulter schauenden Josef schnitzen zu lassen. Nach einem Adventlied, einem Abschiedsgebet und der Segensbitte brechen alle zum nächsten Haus auf. Auf dem Weg wird aus Rücksicht auf die vielen kleinen Kinder mit ihren Laternen kein Gebet gesprochen. Nach dem Eintreffen bei der nächsten Familie wird wieder ein Adventlied gesungen und das Bild von der Gastgeberfamilie mit einem Begrüßungsgebet entgegengenommen. Jede Familie gestaltet dann die Andacht nach eigenen Vorstellungen: mit adventlichen Texten und kindgerechten Geschichten und Gebeten und einem Adventlied. Begrüßungs-bzw. Verabschiedungsgebet sind immer gleich. An einem Abend lädt dann nach der Herbergsandacht eine der Familien zu einem kleinen Fest im Freien, z. B. auf die Terrasse, ein. Bratkartoffeln werden in Alufolie eingewickelt und auf einem offenen Grillfeuer gebraten. Dazu gibt es heißen Tee.
Behelfe: „Hauskirche – Advent und Weihnachten“, Liturgiereferat, Diözese Linz 1996; „Kind, wir warten auf dich!“, Adventbehelf für Familien mit jüngeren Kindern, aus der Erdiözese Wien. Zu bestellen im Behelfsdienst, Diözese Linz: Tel. 0732/7610-3813.
Sinn/Besinnung
Weil in der Herberge kein Platz für sie war (Lukas 2,7). Dies ist der biblische Hintergrund für den Brauch der Herbergsuche oder des Frauentragens. Dabei drücken die Menschen ihre Sehnsucht aus, dem Herrn in ihrem Herzen mehr Raum zu geben. So findet der Mensch im Herbergsuchen tiefer zu sich selbst und zu Gott. Ein heilender Brauch ...
Zur Gestaltung
Zeitlich sollte die Herbergsuche mit dem 17. Dezember bzw. am Abend vorher beginnen. Das Herbergsuchen kann so die Liturgie über den Raum der Kiche hinaus in das Leben der Familie und der Öffentlichkeit ausweiten. Aus „Hier ist (k)ein Platz, Herbergsuche“, Diözese Linz/Pastoralamt.