Augsburg: Untrennbar mit der Reformation verbunden
Rom und Lutherischer Weltbund unterzeichneten Gemeinsame Erklärung
Ausgabe: 1999/44, Augsburg
03.11.1999 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Priska Sauer-Longinotti
Augsburg, nach der die lutherische Bekenntnischrift benannt ist, gilt seit langem auch als Stadt des Friedens.
Hätte es Anfang des 16. Jahrhunderts schon eine Rangliste der Superreichen gegeben, der Augsburger Kaufmann Jakob Fugger hätte einen der ersten Plätze belegt. Der Bankier, den schon seine Zeitgenossen den Reichen nannten, hatte gerade seine vornehmen Stadt- und Handelshäuser nach der neuesten Mode aus Italien fertig stellen lassen, da wurden sie Schauplatz einer historischen Begegnung. Der aufmüpfige Augustinermönch Martin Luther sollte hier im Oktober 1518 vor dem Päpstlichen Legaten Cajetan aus Rom seine neuen Lehren widerrufen. Ein Jahr zuvor hatte bereits der Ordensmann mit seinen 95 Thesen in Wittenberg für Aufregung gesorgt. Doch Luther blieb in Augsburg bei seiner Meinung und dem Zerwürfnis folgte die Trennung. Weder Cajetan noch Luther hätten es sich träumen lassen, dass 481 Jahre später, am 31. Oktober 1999, erneut Vertreter nunmehr beider Kirchen sich hier treffen: um aufeinander zuzugehen und die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ zu unterzeichnen.
Schon die Römer erkannten die verkehrsgünstige Lage der alten keltischen Siedlung, die sie 15 vor Christus zur „Augusta Vindelicorum“ ausbauten. Und noch bevor es von den Alemannen überrannt wurde, müssen hier bereits Christen gelebt haben. Um 300 starb Afra als Märtyrerin.Richtig aufwärts ging es mit der Stadt im 15. und 16. Jahrhundert. Für die kleinbäuerliche Weberfamilie der Fugger schlug die Gunst der Stunde: Sie ließen produzieren und vertrieben ihre Produkte im gesamten Europa und Orient. Der Name Augsburg wurde bald weltweit bekannt. Mit ihrem gewonnenen Reichtum verlegte sich der pfiffige Jakob Fugger später auch auf Bankgeschäfte. Er verlieh Geld an die Habsburger und finanzierte die Kaiserwahl von Karl V.Schon damals demonstrierte der reiche Fugger, von Albrecht Dürer schmallippig porträtiert, frühkapitalistischen Unternehmensgeist. Doch er dachte auch sozial. Für seine Arbeiter ließ er 1519 die Fuggerei bauen, eine der ältesten Sozialsiedlungen der Welt. Heute zahlen die Bewohner symbolische zwölf Schilling Jahresmiete. Allerdings gelten auch die Bedingungen von damals: Die Mieter müssen einmal am Tag für die Fuggers beten.
Derart bedeutsam geworden, wählten Kaiser bevorzugt Augsburg für ihre Reichstage. Deshalb verwundert es nicht, dass die Stadt auch zu einem der Austragungsorte der Auseinandersetzungen um die Reformation wurde. Luthers Spuren sind überall zu finden: Im Kloster Sankt Anna fand er bei seinem Aufenthalt 1518 Unterschlupf und in der Kirche hängt das berühmte Porträt, das Lucas Cranach von ihm schuf. Die sogenannte „Confessio Augustana“, das lutherische Bekenntnis, arbeitete Melanchthon in humanistischer Vermittlerhaltung aus, doch der Kaiser akzeptierte es 1530 nicht. Wohl gefiel sie aber dem Volk: Es ist überliefert, dass es draußen jubelte, als sie in der bischöflichen Residenz verlesen wurde. Die Botschaft war in den Hof gedrungen, weil es in der Kapitelstube heiß war und die Fenster offen standen.
Heute bildet das „Augsburger Bekenntnis“ die Grundlage lutherischer Kirchen, 1555 diente sie als Toleranzgrundlage des Augsburger Religionsfriedens. Dieser brachte die jahrzehntelangen Religionskämpfe im Reich zum vorläufigen Abschluss und verlieh dem Luthertum den Status einer reichsrechtlich anerkannten Konfession.Nach dem 30-jährigen Krieg war Augsburg eine der Reichsstädte, in denen das Prinzip der Parität verwirklicht wurde. Bis 1806 gab es zwei Bürgermeister und je einen evangelischen und katholischen Stadtpfleger. Seit 1650 gedenken die evangelischen Christen jährlich mit einem Friedensfest dieser Gleichberechtigung und mittlerweile feiern sie mit katholischen Christen zusammen.
Meilenstein nach 32 Jahren
Die Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ gilt als Meilenstein im katholisch-lutherischen Dialog, der nach dem II. Vatikanischen Konzil 1967 aufgenommen wurde.
Seit 1993 waren Theologinnen und Theologen mit der Erklärung direkt befasst. Sie haben die biblischen Grundlagen und die Lehrtraditionen der Kirchen zum Thema der Rechtfertigung gesichtet, um ein gemeinsames Verständnis zu erreichen und um sagen zu können: Katholiken und Lutheraner sind zu einem Konsens im Hinblick auf die Grundwahrheiten gelangt.
Wesentlich beeinflusst haben das Zustandekommen der Erklärung zwei Studien. Bereits 1985 wurde in den USA der Dialog in dem Bericht „Rechtfertigung und Glaube“ zusammengefasst. Im darauf folgenden Jahr legten die Dialogpartner in Deutschland ihren Bericht „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“ vor. Lutherischerseits waren alle 124 Mitgliedskirchen (mit insgesamt 58 Millionen Mitgliedern) des Lutherischen Weltbundes (LWB) in den Prozess der Annahme der Erklärung eingebunden.
Am 31. Oktober haben in Augsburg die Erklärung für den LWB unterschrieben: dessen Präsident, Bischof Christian Krause (Braunschweig), und der Generalsekretär, Ishmael Noko.