Tödliche Schüsse palästinensischer Angreifer auf israelische Soldaten am 14. Juli haben die zerbrechliche Ruhe im israelisch-palästinensischen Konflikt beendet. Einmal mehr steht der Jerusalemer Tempelberg im Zentrum des Geschehens. Er ist Muslimen wie Juden heilig.
Ausgabe: 2017/30
25.07.2017 - Andrea Krogmann/kathpress
Fünf Israelis und fünf Palästinenser sind bisher gestorben, Hunderte Menschen wurden verletzt. Die Beziehungen zwischen beiden Konfliktparteien sind auf einem neuen Tiefpunkt.
Vor rund zwei Wochen schossen drei Männer aus der arabisch-israelischen Stadt Umm Al-Fahm auf drei israelische Grenzpolizisten, die ihren Dienst am Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt versahen. Zwei von ihnen, der 22-jährige Sohn des früheren drusischen Parlamentsabgeordneten Shakib Shanan sowie ein 30-jähriger Polizist, starben. Die Angreifer wurden auf der Flucht erschossen.
Anstoß der Gewalt
Israel reagierte scharf. Die muslimischen Freitagsgebete am Tempelberg wurden abgesagt, die Stätte erst nach zwei Tagen schrittweise wieder freigegeben. Die in diesem Zusammenhang an den Zugängen zum Tempelberg angebrachten Metalldetektoren sind seither Anstoß für Gewalt. Israel begründet das Vorgehen mit der Sicherheitslage. Für die Palästinenser wie auch für Muslime weltweit sind die Kontrollen ein weiterer inakzeptabler Versuch der israelischen Besatzungsmacht, Jerusalem zu „judaisieren“. Israel blieb bisher auf hartem Kurs. Auch internationale Bitten, die Sicherheitsschranken zu entfernen, blieben ungehört. Der arabische Protest verschärfte sich. Palästinenser blieben dem Tempelberg fern, verrichteten ihre Gebete außerhalb der Schranken und stießen wiederholt mit israelischen Polizisten und der Armee zusammen.
Vorwurf der Provokation
Jerusalem sei eine „rote Linie“, warnte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul-Gheit, und warf Israel vor, mit dem Feuer zu spielen und die muslimische Welt zu provozieren. Ob aus Sicherheitsperspektive gerechtfertigt oder nicht – die israelischen Maßnahmen riefen weitere Gewaltakte hervor. Er wolle für die auf dem Tempelberg stehende Al-Aksa-Moschee sterben, hatte der 19-jährige Palästinenser auf Facebook geschrieben, bevor er am Freitagabend eine jüdische Familie in der Siedlung Halamisch im Westjordanland mit einem Messer attackierte und drei Familienmitglieder tötete. Israel reagierte mit einer weiteren Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen: Am Sonntag wurden zusätzlich zu den Metalldetektoren Überwachungskameras in der Nähe des Tempelbergs angebracht. Das Haus des Attentäters solle schnellstmöglich abgerissen werden, kündigte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an.
Sorge und Aufruf zum Dialog
Von außen mehren sich die Aufrufe zum Dialog zwischen beiden Konfliktparteien. Das Auswärtige Amt appellierte an alle Beteiligten zur Deeskalation, Papst Franziskus äußerte beim sonntäglichen Mittagsgebet auf dem Petersplatz große Sorge. Ägypten, Frankreich und Schweden beantragten für Montag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas machte Israel schwere Vorwürfe. Es gehe bei den jüngsten Maßnahmen nicht um Sicherheit, sondern um Politik. Unterdessen wurde bekannt, dass israelische Sicherheitsexperten Netanjahu eindringlich vor der Installation von Metalldetektoren gewarnt hatten. Aus Sicherheitsaspekten seien sie – weil leicht zu umgehen – überflüssig. Stattdessen seien sie geeignet, die Lage gefährlich eskalieren zu lassen. Am Sonntagabend nun wollten beide Seiten Gespräche aufnehmen. Ob sich damit die Spirale der Gewalt noch einmal stoppen lässt, werden die nächsten Tage zeigen.