Österreich könnte Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen beziehen - wenn Österreich es will. Dann könnten die ökologischen Vorzüge von Elektroautos zur Gänze zum Tragen kommen.
Ausgabe: 2017/30
25.07.2017 - Matthäus Fellinger
Ein Forschungsprojekt an der Technischen Universität Wien hält es für möglich: Im Jahr 2030 könnte Österreich seinen Strom zu Gänze aus erneuerbaren Quellen beziehen. Peter Püspök, Präsident des Dachverbandes für Erneuerbare Energie Österreich fügt hinzu: „Dies bedeutet, dass wir rasche, ernsthafte Anstrengungen beim Ausbau aller erneuerbaren Energien machen müssen.“ Der immer bedrohlicher werdende Klimawandel lasse keine andere Wahl. Der Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich Werner Steinecker hält das Ziel für realisierbar. Das Wachstum des Stromverbrauchs für die Zunahme an Elektroautos werde unter 1 % pro Jahr liegen. Mit den Wasserkraftwerken wie dem neuen Kraftwerk Bad Goisern und den Photovoltaikprojekten der Energie AG sei Oberösterreich für die Elektromobilität sehr gut gerüstet. Die Hauptlast des Ausbaus werden – so Püspök – die Photovoltaik und die Windkraft zu tragen haben. Bei der Photovoltaik ortet Püspök den größten Entwicklungsbedarf: „Da brauchen wir 10 bis 20 Mal so viele Flächen, wie wir jetzt haben.“ Die Erhöhung der Windkraft-Kapazitäten werde teils durch den Ersatz von Altanlagen erfolgen können, es werde aber auch neuer Flächen bedürfen. Steinecker rechnet damit, dass auch die Wasserstoff-Technologie Fuß fassen wird.
Elektro-Benzin-Vergleich
Das Elektroauto mit der „Nullemmission“ wird es auch dann nicht geben. Zwar gibt es beim Elektroauto den Auspuff nicht, aus dem Abgase strömen. Bei der Erzeugung der Autos, vor allem der Batterie, und bei der Bereitstellung des Stroms ist jedoch schon viel CO2 in die Atmosphäre geblasen worden. Auch seltene Erden und Metalle werden benötigt. Das Heidelberger Umwelt- und Prognose-Institut (UPI) gibt zu bedenken: Allein für die Produktion einer Autobatterie mit 20 Kilowattstunden fallen 2,5 Tonnen CO2-Emissionen an. Das ist soviel, wie das Pariser Klimaschutzabkommen jedem Erdenbürger in einem ganzen Jahr zugesteht. Die Haltbarkeit dieser Stromspeicher wird mit derzeit etwa 150.000 Kilometer oder rund acht Jahren, angenommen. Wenn Batterien auf unter 80 Prozent ihrer Leistung gesunken sind, müssen sie ausgetauscht werden. Sie können dann noch für andere Zwecke verwendet werden. Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt hat errechnet: Ein heute betriebenes Elektroauto kommt in etwa auf dieselben Umweltwerte wie ein mit vier Litern Benzin pro 100 Kilometer betriebenes herkömmliches Auto.
Mehr Autos
Der Heidelberger UPI-Bericht sagt außerdem: Nur die Hälfte der E-Autokäufer haben bisher ein Auto abgegeben, sie benutzen das E-Auto als Zusatzauto. Die Zahl der Fahrzeuge wird also größer, der Bedarf an Abstellflächen ebenso. In der Gesamt-Ökobilanz müsste dem öffentlichen Verkehr der Vorrang eingeräumt werden. In Norwegen, wo der Anteil an Elektroautos bereits bei 20 Prozent liegt, machte man eine verblüffende Erfahrung: Elektrofahrzeugbesitzer benutzen kaum noch den öffentlichen Verkehr, nämlich nur zu 4 Prozent gegenüber 23 Prozent, bevor sie auf ein E-Auto umgestiegen sind. Gelöst werden muss auch die Frage, aus welchen Mitteln die Straßen bezahlt werden. Zur Zeit tun das Benzin- und Dieselfahrer mit der Mineralölsteuer. Trotzdem gibt das Heidelberger Institut dem Elektroauto Zukunft, dann, wenn Strom tatsächlich aus erneuerbaren Quellen kommt.
Vom Willen zur Tat
Püspök ortet bei den Österreichern zwar ein gutes Gespür, rund 80 % unterstützen den Umstieg auf erneuerbare Energie, doch „leider müssen wir die Erfahrung machen, dass der Mensch sich sehr schwer tut, Gewohnheiten zu ändern.“ Alleine die Vermeidung der direkten Beeinträchtigung der Menschen mit höchst giftigen Auspuffgasen und Feinstaub rechtfertige die Elektromobilität. Eine große Ressourcen-Vergeudung wäre es, so der deutsche Umweltökonom Niko Paech, würde man ein gutes Fahrzeug verschrotten, um sich statt dessen ein Elektroauto zu kaufen. Vieles an Rohstoffen und Energie hat ein Fahrzeug ja schon verbraucht, bevor es in den Handel kommt. Abwrackprämien sind für ihn eine Verführung zur Verschwendung.