Diskretes und Indiskretes von Eheleuten in Pension
Ausgabe: 1998/36, Diskretes und Indiskretes von Eheleuten in Pension
01.09.1998 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Hilde Ehrenberger
„Lustig schaust du nicht gerade aus der Wäsche“, bemerkt mein Mann und guckt über den Rand seiner Zeitung.Ich stöhne. „Ich kann mich nicht rühren“, keuche ich.„Wo tut es denn weh?“ fragt er teilnehmend.„Kreuz.“ Zu mehr langt es nicht.„Wieder einmal“, ist sein Kurzkommentar.Ich versuche, in einer Stellung zu sitzen, wo ich das verdammte Kreuz möglichst wenig spüre. „War eh schon lange nicht“, rede ich mir beruhigend zu.„Dafür hat gestern dein Schädel rebelliert“, zählt mein Mann auf. „Und vorgestern waren es die Rippen, wenn ich untertänigst erinnern darf. Und …“„Hör auf“, rufe ich. „Mir langt der heutige Tag. Außerdem: Kreisky.“Wir lachen. „Langzeitehekrüppel“ wie wir entwickeln eigene Rituale. In diesem Fall gleichen wir jenen vier alten Männern, die, auf einer Parkbank hockend, vor sich hinschweigen. Von Zeit zu Zeit sagt der eine „Vier“ oder ein anderer „Zweiundzwanzig“ oder ein dritter „Siebzehn“. Ein kurzer Lacher, dann weiter Schweigen. Ein Unbeteiligter fragt: „Gestatten Sie die Frage, worüber lachen Sie eigentlich?“ „Ach“, erwidert einer der vier, „wir kennen die Witze, die wir einander erzählen, schon so gut, daß jeder von ihnen eine Nummer gekriegt hat. Jetzt brauchen wir uns nur noch die Nummern zu sagen und wissen sofort die Pointe.“So auch bei uns. „Kreisky“ bedeutet, daß dieser irgendwann einmal jemanden zitiert haben soll: „Wenn man nach seinem sechzigsten Geburtstag in der Früh aufwacht und es tut einem nichts weh, dann ist man tot.“„Soll ich dich einreiben?“ fragt mein Mann liebevoll. Ich nicke.Als ich aufstehe, ist es leichter, und ich will meinen Mann umarmen. Er bleibt steif.„Was ist?“ wundere ich mich.„Ich glaube, ich habe mir beim Massieren die Schulter verrissen. Ich glaube, jetzt mußt du mich einreiben.“„Einmal der Gigl, einmal der Gagl“, lache ich, halte mich aber sofort zurück, als ich seinen weidwunden Blick sehe.Gemessen an der Intensität unserer Schmerzen, leben wir heute wirklich sehr heftig. Kreisky, schau oba. Die Texte von Hilde Ehrenberger sind einem Entwurf für ein Buch mit dem Titel „Miteinander sind wir gut“ entnommen. Als sie ihren Mann fragt, ob er denn bereit sei, „unsere Altersehe zum Ausschlachten zur Verfügung“ zu stellen, zuckte er die Achseln und meinte dann ernst: „Echt ist ohnedies nur das, was man lebt …“