Diskretes oder Indiskretes von eheleuten inPension
Ausgabe: 1998/34, Eheleute in Pension
18.08.1998 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
„Heut geht es mir gar nicht gut.“ Ich sitze beim Frühstückstisch und lasse den Kopf hängen.„Wo fehlt’s denn?“ Mein Eheliebster bläst mir teilnehmend den Rauch von der Morgenzigarette ins trübe Auge. „Ich muß mich zu jedem Handgriff zwingen. Alles kostet mich unendlich viel Kraft. Einfach verbraucht. Substanzverlust.“„Vielleicht fragst du doch einmal einen Spengler? Spezialservice mit Runderneuerung!“ Der „Spengler“ ist in unserer Sprache der Doktor. „Der hilft auch nicht mehr. Vielleicht sollte ich doch zur Kenntnis nehmen: Ich bin alt, alt, ja alt.“ „Zu früh“, sagt er.„Nein“, sage ich sehr fest. „Es ist soweit. Bisher habe ich nicht gewußt, wie das ist: Man kann nicht mehr. Es ist Zeit, daß ich es lerne.“„Ja, was tun wir denn da?“ sagt er. „Aushalten. Es bleibt nicht mehr viel übrig als aushalten.“ „Jetzt hör einmal auf“, fährt er drein. „Und was wünschest du dir zum Namenstag? Der ist nämlich demnächst fällig?“ Ich schweige. Was soll ich mir schon wünschen? Naschereien sind ungesund. Kleider werden nicht ausgeführt ob der abendlichen Müdigkeit. Bücher kauft ohnedies meine Informationszentrale mit Computerhirn in überreichem Ausmaß. Was freut mich wirklich?„Es freuen mich die schönen Dinge, die zu nichts nütze sind, sondern nur zum Anschauen“, sage ich langsam.„Die sind am teuersten“, sagt er trocken.„Meine Tandlerin – erinnerst du dich an sie?“ „Die, die jetzt groß Antiquitäten über ihrem Geschäft stehen hat?“„Ja, die. Sie hat mir einmal erzählt, sie hat einen Stammkunden, einen Straßenbahner. Der kommt alle paar Monate zu ihr und sagt: Frau H., ich hab’ da wieder ein paar hundert Schilling erspart, was haben Sie Schönes darum? Sie sucht dann zusammen, was sie um diesen Betrag hat: einen alten Türbeschlag, ein Häferl oder einen schönen Bilderrahmen – und er nimmt mit sicherem Griff das schönste Trumm. ,Sehen Sie, um sich an schönen Dingen zu freuen, braucht man nicht viel Geld‘, hat sie gesagt.“Am Namenstag steht eine Rose in einer schmalen, hohen Vase auf dem Tisch. Wie ich mich freue! „Flohmarkt. Gefällt sie dir?“ lacht er. „Die Rose?“ necke ich ihn. „Die ist von daneben. Aber die Vase wäre allein so leer gewesen“, sagt er. Soll sie schwinden die Kraft. Das Schöne bleibt. Wie wunderbar.PS: Wir feiern gerne und lassen keine Gelegenheit aus: Kennenlerntag, Übersiedlungstag, Hochzeitstag … Feste sind wie Haltegriffe, eingeschlagen im Fels unseres Lebens. An ihnen kann man sich hochziehen auf der mitunter gefährlichen Klettertour einer Langzeit- oder Altersehe. Mit ihnen erreicht man die Aussichtspunkte, wo man rasten und zurückschauen kann.