Durch den Bürgerkrieg wurde eine Million Menschen zu Flüchtlingen
Ausgabe: 1998/34, Kolumbien
18.08.1998 - Walter Achleitner
Der Präsidentenwechsel in Kolumbien stärkt die Hoffnung, daß es zu einem Ende des fast 50jährigen Bürgerkrieges kommen könnte. Dauerhafter Friede sei aber nur durch eine Landreform möglich, meint die Missionarin Sr. Maria Herlinde Moises.„Kolumbien wünscht sich nichts sehnsüchtiger als den Frieden“, sagt Sr. Maria Herlinde Moises. Und die gebürtige Salzburgerin, die seit 47 Jahren im südamerikanischen Andenstaat tätig ist, fügt hinzu: „Der Machtwechsel im Präsidentenamt ist wohl die einzige Chance für eine wirkliche Veränderung.“ Mit der Wahl Andres Pastranas zum Präsidenten sei die Hoffnung auf Frieden wieder gestärkt worden. Seit 7. August amtiert der 44jährige im Präsidentenpalast von Bogotá, „und die nächsten Wochen sind entscheidend“, sagt die Missionarin gegenüber der Kirchenzeitung.Hoffnung auf ArbeitWas sich das Land von seiner neuen politischen Führung erwartet wird deutlich, wenn Sr. Moises von ihrer Arbeit in Pasacaballos erzählt. „Seit ich in Kolumbien lebe herrscht Bürgerkrieg, und mit den Jahren ist er immer gewalttätiger geworden.“ So sind alleine im vergangenen Jahr über 6000 Menschen ums Leben gekommen. Aus Angst vor Übergriffen der Militärs, linker Guerillagruppen oder rechtsgerichteter Paramilitärs sind mehr als eine Million Menschen in Kolumbien auf der Flucht. So leben heute in Pasacaballos, dem Fischerdorf an der Pazifikküste, über 16.000 Einwohner; vor fünf Jahren war es noch die Hälfte. „Wenn die Menschen hier ankommen, haben sie meist nicht mehr als vier Stangen und eine Plastikplane.“ Das Dorf, 25 Kilometer südlich von Cartagena, zählt heute schon zum Armutsgürtel. Nur eine riesige Industriezone trennt das Dorf von der fünftgrößten Stadt Kolumbiens. Und das ist auch der Grund, warum es viele Flüchtlinge hierher zur Küste führt: die Hoffnung auf Arbeit. Doch wirklich Arbeit zu finden sei fast aussichtslos, und dies werde reichlich ausgenutzt: „In der Regel muß man sich zwei Monate anstehen, um vielleicht eine Anstellung zu erhalten. Und das Glück der Anstellung dauert nicht länger als drei Wochen. Denn bevor irgendwelche Sozialleistungen zu zahlen wären, wird wieder entlassen.“Und welche Überlebenschancen bietet die Fischerei? Sr. Moises: „Noch vor 20 Jahren lebten sieben von zehn Familien vom Fischfang. Seit aber die Industrie hier angesiedelt wurde, fischt niemand mehr in dieser Bucht. Um zum Fischen aber weiter hinausfahren zu können fehlt das Geld für größere Boote.“An die Wurzeln gehenSollten die Friedensverhandlungen nun in Gang kommen – Pastrana hat in der ersten Woche seiner Präsidentschaft einige Signale gesetzt, die das erleichtern –, so sei zum wirklichen Frieden eine Bodenreform unumgänglich. Denn ohne eine gerechte Aufteilung des Landes, die auch eine der Wurzeln des Bürgerkrieges darstellt, ist eine Rückkehr der Flüchtlinge aussichtslos. Die Landreform sei aber der Test, so Sr. Maria Herlinde, ob Andres Pastrana, dessen Vater bereits in den 70er Jahren Staatspräsident Kolumbiens war, um echten Frieden für das Land bemüht ist.