Ob Nahversorgung, Arbeitsmarkt, Lehrstellen, ob Einbürgerung, EU und Osterweiterung – alles Themen aus dem Ressort von LH-Stv. Dr. Christoph Leitl. KIZ: Oberösterreich hat ja im Vergleich zu Österreich ganz gute Arbeitsmarktdaten; kann man damit zufrieden sein?Leitl: Das entscheidende Kriterium für die Wirtschaftspolitik, nämlich die Beschäftigung, ist zwar noch nicht gänzlich zufriedenstellend gelöst, aber Österreich wird wegen seiner Arbeitsmarktdaten beneidet. Der Arbeitsgesellschaft geht nicht die Arbeit aus, wir müssen nur in die Zukunft investieren. Noch nie waren soviele Menschen in Beschäftigung wie jetzt.KIZ: Trifft das auch auf das Land Oberösterreich zu?Leitl: Das Land OÖ muß, wie jeder andere Dienstleistungsbetrieb auch, schlank werden. Manch natürlicher Abgang wird nicht nachbesetzt. Aber in zwei Dingen sind wir vorbildhaft: in der Einstellung behinderter Menschen und in der Lehrlingsausbildung. Wir haben im Vorjahr erstmals 100 Lehrlinge ausgebildet, auch heuer werden wieder 100 Lehrlinge aufgenommen.KIZ: Das Land OÖ setzt in der Behebung des Lehrplatzmangels auf Motivation der Betriebe. Ist der Einsatz der „Ausbildungsberater“ erfolgreich?Leitl: In Oberösterreich gibt es 50.000 Betriebe, nur 9.000 bilden Lehrlinge aus. Geschätzte 16.000 Betriebe bilden nicht aus, obwohl sie es könnten. Wir haben derzeit 30 Ausbildungsberater im Einsatz, die Betriebe motivieren sollen, Lehrlinge auszubilden. Bis Ende des Jahres, das ist unser Ziel, soll jeder junge Mensch ein Ausbildungsangebot haben. Auch alle jungen Langzeitarbeitslosen sollen die Chance erhalten. KIZ: Oberösterreichs Einbürgerungspolitik, die in Ihr Ressort fällt, ist von SOS-Mitmensch als im österreichischen Vergleich zu rigoros kritisiert worden. Warum bürgert Oberösterreich weniger Ausländer ein? Leitl: Die Kritik von SOS-Mitmensch ist eine vorbeugende, die aus der Sorge entspringt, daß das Land OÖ zu streng bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft ist. Da bin ich zu ehrlicher und offener Diskussion bereit. Meine Position ist: Wer die österreichische Staatsbürgerschaft haben will, muß unsere Sprache soweit können, daß er sich verständlich machen kann. Er muß ein bißchen über Kultur und Geschichte sowie die Bräuche des Landes Bescheid wissen, und ich will, daß charakterlich anständige Leute zu uns kommen.KIZ: Die Zahl der Gemeinden ohne Nahversorger steigt bedrohlich, zeigt die Wirtschaftskammer auf. Schon in 40 Gemeinden fehlen Kramer und Bäcker. Was tun Sie?Leitl: Die Nahversorgung ist mir eine Herzensangelegenheit. Das Nahversorgersterben ist zwar gebremst, doch die Orte ohne Nahversorger werden mehr. Die kleinen Kaufleute sind wichtig aus wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Gründen. Für jene Gemeinden, die keine Nahversorgung haben, kommt im Herbst eine Aktion. Ein Leitl-Zitat: „Wie traurig ist Politik, die zwar gute Ansätze hat, der aber das Geld fehlt.“ Leitl weist damit auf Oberösterreichs Spielraum hin, durch Politik zu gestalten, weil das Land OÖ keine Neuverschuldung mehr in Kauf nimmt und damit die Zinsbelastung stark senkt.Leitl zur EU-OstErweiterung: Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Christoph Leitl hat im KIZ-Gespräch auch zur EU-Ost-Erweiterung Stellung bezogen:Er bekenne sich zur Ost-Erweiterung aus mehreren Gründen. Österreich sei bisher Gewinner der Ostöffnung. Die österreichischen Betriebe haben einen gewaltigen Außenhandelsüberschuß erwirtschaftet – in den letzten zehn Jahren stieg dieser von 7 auf 37 Milliarden Schilling, was 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze bringe. Das heiße nicht, daß wir keine Probleme gehabt haben. Aber es sind Befürchtungen nicht eingetreten, etwa die Grenzabwanderung. Außerdem habe Österreich viele gemeinsame Probleme mit den Nachbarn zu lösen. Europa, das heiße, gemeinsam Probleme lösen! „Unsere bisherige Anti-Atompolitik war alles andere als psychologisch geschickt oder politisch professionell.“ Wir müssen uns zusammensetzen und sagen: Wir haben ein europäisches Problem, Ost und West. Wenn wir wissen, wieviel Energie wir brauchen, dann reden wir darüber, woher wir sie nehmen (und das wird wahrscheinlich nicht Atomstrom sein). Oberösterreich war da vorwärtsdenkend mit dem Energiesparverband Budweis. Ein dritter Grund für die Ost-Erweiterung sei der Friede, die Sicherheit und Stabilität Europas. Leitl rechnet damit, daß die Ost-Erweiterung der EU fünf bis zehn Jahre dauern wird und weitere fünf bis zehn Jahre Übergangsfristen vereinbart werden müssen (zum Beispiel bei der Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte).