Marike Neuhaus, Holland, ist engagiert im Dialog zwischen Christentum und Islam. Ich meine, daß Versöhnung zwischen den Religionen nur gelingt, wenn wir unsere Arroganz aufgeben. Wenn wir anerkennen, daß auch im Herzen anderer Religionen die von Gott gegebene Liebe steht.Ich bin hier in Graz unversöhnt. Wir dürfen Versöhnung nicht mit Mission verwechseln. Oft ist es so, daß wir über die andere Religion reden, die wir zum Dialog eingeladen haben. Ich habe hier herausgehört, daß Christentum eine höhere Religion wäre. Ich empfinde das als Arroganz. Ich denke, bei einem echten Dialog ist mit einander Kennenlernen anzufangen.Ich sehe, wie auch ich selber meine Emotionen, meinen eigenen Weg mit der Kirche auf die Hierarchie projizieren will. Wir sagen, daß sie „kurzsichtig, autoritär, nur Männer“ sind. Versöhnung verlangt ein viel tieferes Selbsterkennen und unsere Bereitschaft, die eigenen Wunden und Verletzungen zu fühlen. Gebet und Meditation helfen mir, mich selbst anzusehen, Projektionen abzubauen.Ob frau ein Kopftuch trägt? Ob frau unterdrückt ist? Da nehmen wir unsere Werte und Normen als Maß für andere. Wir in Westeuropa mit unserer Demokratie, Freiheit und unserem Individualismus halten wir uns für das Zentrum der Welt. Aber es wird keine Versöhnung geben, wenn wir diesen „ersten Platz“ nicht aufgeben.Zum Schluß noch eine Geschichte: Während des 2. Weltkrieges mußten meine Eltern mit meinem neugeborenen Geschwister flüchten und wohnten in einem Haus, in dem auch deutsche Soldaten untergebracht waren. Eines Abends kam einer von ihnen und fragte meine Mutter, ob er das Kind anschauen dürfe. Er war nämlich in dieser Zeit Vater geworden, nur hatte er sein Kind noch nicht sehen können. Meine Mutter ist immer noch gerührt, wenn sie von dieser Versöhnung mitten im Elend erzählt.Wir müssen uns mit den eigenen Verletzungen versöhnen und uns an diese Erfahrungen erinnern. Sonst wiederholt sich die Unversöhntheit, wie es jetzt mit der Abwehr der Flüchtlinge in Westeuropa geschieht.