Ausgabe: Flüchtlinge, Türkei, Kosovo, Bosnien, Politik, Pax Christi,
28.07.1998 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Wolfgang, geboren 1952, aus Deutschland, arbeitet mit Flüchtlingen. Was mich am meisten betrifft, ist die Unversöhntheit in mir selbst im Blick auf Gewalt. Und, wie ich mit Menschen umgehe, die in meinen Augen Unrecht tun, die anderer Meinung sind. Da erlebe ich Unversöhntheit, wie ich mich mit meinen Grenzen annehmen kann. Durch meine Arbeit erlebe ich Unversöhntheit hautnah, besonders mit Menschen aus der Türkei, dem Kosovo und Bosnien. Da ist einmal Unversöhntheit im Land selbst, und dann erlebe ich Unversöhntheit im Blick auf die Einstellungen zu diesen Menschen in unserem Land und durch unsere Regierung. Ich stelle fest, daß Menschen zu einem Objekt der Interessen anderer gemacht werden und deshalb in Krieg und Unfrieden geraten. Auf der Ebene der Politik ist es oft so, daß ich mehr gegen etwas kämpfen muß, als daß ich mit christlichen Politikern für den Frieden und Schutz von Menschen kämpfe.Eine Möglichkeit der Versöhnung sehe ich darin, daß es, auch zwischen Gegnern, zu einem Treffen kommt. Ich frage mich eigentlich, woher ich Hoffnung und Kraft holen kann. Ein Stück weit finde ich das in den Gruppen, in denen ich arbeite, in Pax Christi und den vernetzten Gruppen, in denen wir am gleichen Ziel arbeiten und auch einen Blick füreinander haben. Nur manchmal wird mir alles zu viel. Aber wenn dann jemand an die Tür klopft, der in Not ist, dann muß ich handeln. Und ich stelle fest, daß darin eine Kraft liegt, die mich herausfordert.Letztlich hat das sicher mit meinem Glauben zu tun. Das ist es auch, was mich am Glauben am meisten interessiert und mich trägt: Dieses Interesse Gottes an uns Menschen, und das wird in Jesus deutlich. Einer, in dem mir ein Stück von Gott begegnet und der sagt: Jeder ist Bruder, jede ist Schwester, wir gehören zusammen. Das ist ein Fundament, da spüre ich immer, da kannst du dranbleiben. Das ist es auch, was ich erträume, so möchte ich eigentlich die Welt sehen. Dann sind die Unterschiede zwischen uns Menschen eher eine Bereicherung als ein trennendes Element.