Ausgabe: Kardinal Ratzinger, Glaubenskongregation, Vatikan, Kardinal Angelo Sosano, Hans Küng, Erklärung mit Lutheranern
15.07.1998 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Die jüngsten Schritte des Kurienkardinals lösen selbst im Vatikan nicht ungeteilten Applaus aus.Zügel werden angezogenGleich zweimal in nur einer Woche hat Kardinal Joseph Ratzinger (72) für Aufsehen gesorgt. Erst ließ der Präfekt der Glaubenskongregation Ende Juni den Chef der Ökumene-Abteilung vor Journalisten die Zustimmung zur historischen „Gemeinsamen Erklärung“ mit den Lutheranern teilweise zurückziehen, womit er den jahrelangen Dialogprozeß an den Rand des Scheiterns brachte. Und fünf Tage später wurde ein Schreiben des Papstes veröffentlicht, mit dem das Kirchenrecht geändert wird. Der juristische Warnschuß aus Rom war begleitet von einem „lehrmäßigen Kommentar“, der Ratzingers Unterschrift trägt.Die Dominanz der Glaubenskongregation stößt selbst im Vatikan nicht unbedingt auf Begeisterung. Denn sie tritt zunehmend als eigentlicher Gesetzgeber der Kirche auf und läßt dabei weder ökumenische noch diplomatische Rücksichtnahmen gelten. Selbst Kardinal Angelo Sodano, der als Außenminister für den weltweiten Zusammenhalt der Kirche tonangebend ist, hat einen moderateren Weg eingeschlagen. Und wenn sich Sodano auf theologisches Terrain begibt, kennt er keine Scheu, selbst den „unbotmäßigen“ Hans Küng zu zitieren. Kritik darüber, wie der Glaubenslehrer aus Marktl am Inn die Zügel anzieht, läßt ihn unberührt. Er macht vielmehr deutlich, daß Widerspruch von außen die Glaubhaftigkeit der Kirche nur fördert. Seine Kritiker – selbst im Vatikan – fürchten jedoch, Ratzinger könnte den Bogen überspannen.