Tag der Freiheit (Gastkommentar von Dr. Guggenberger)
Gastbeitrag von Dr. Wilhelm Guggenberger, Innsbruck
Ausgabe: Sonntag, KMB, Dr. Wilhelm Guggenberger, Arbeit
15.07.1998 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Bei der Sommerakademie der Kath. Männerbewegung in Bad Leonfelden referiert am 16. Juli der Moraltheologe Dr. Wilhelm Guggenberger, Innsbruck, zu „Der schöpferische Aspekt der Arbeit als spirituelles Ereignis“.Ein Aspekt daraus: Die Freiheit des Sonntags.Der Ruf nach einer Rettung des Sonntags schallt durchs Land. Tausende Unterschriften wurden bereits gesammelt. Dieses Engagement ist erfreulich, es gilt einem schützenswerten Gut. Die ins Treffe geführten Argumente jedoch bleiben mitunter zu sehr an der Oberfläche, als daß sichtbar werden könnte, worum hier wirklich gerungen wird. Der Sonntag in biblischem Verständnis ist nicht ein Tag der Regeneration der Arbeitskraft. Als solcher wäre er nur ein Rädchen der geölt laufenden Wirtschaftsmaschine, Reinvestition in einen Produktionsfaktor. Damit würde er verzichtbar, denn Freizeit haben wir heute vielfach in einem Maße, das von wenigen Jahren kaum vorstellbar war. Der Sonntag ist auch nicht nur sozialhygienische Maßnahme, die eine gemeinsame freie Zeit für Familie, Freundeskreise und Vereine schafft, obwohl dieser Aspekt durchaus wichtig ist. Solche Argumente mögen aus pragmatischen Gründen in der politischen Debatte notwendig sein. Die Tiefendimension des Tages darf aber nicht unterschlagen werden. Worin besteht sie? Der Sonntag steht wie der Sabbat im Zeichen der Unterrechung menschlicher Geschäftigkeit. Unsere Geschäftigkeit ist mehr als bloße Lebenserhaltung. Sie steht immer auch unter der Versuchung der Macht: Macht, die in zerstörender Weise über die Schöpfung und in unterdrückender Weise über Mitmenschen ausgeübt wird. Lassen wir es zu, daß unser Leben von einem Wirtschaftssystem dominiert wird, das geprägt ist von solcher Macht, unterwerfen wir uns einem Götzen. Der Sonntag als Tag des Macht-, Machbarkeits- und Gewinnverzichtens könnte aus seinem Dienst befreien und so nicht nur freier Tag, sondern Tag der Freiheit sein.Dr. Wilhelm Guggenberger