Der Fall Groer hat vor drei Jahren die österreichische Kirche in ihren Grundfesten erschüttert. Was da zutage kam, war weit mehr als der Vorwurf der sexuellen Belästigung und und des Machtmißbrauchs gegen einen Kardinal - so gräßlich das allein schon ist. Offenbar wurde die Krise einer katholischen Kirche, die in weiten und wichtigen Teilen noch nicht gelernt hat, sich als Teil einer demokratischen Gesellschaft zu begreifen.Hubertus Czernin war vor drei Jahren als Profil-Herausgeber bereits maßgeblich an der Aufdeckung des Falles Groer beteiligt. In seinem kürzlich erschienenen Buch legt er eine Chronik der Ereignisse im Knabenseminar Hollabrunn seit den 50er-Jahren vor, ohne die Fakten zu kommentieren. Briefe, Tagebucheintragungen, Zeitungsartikel und Gespräche mit ehemaligen Zöglingen und ehemaligen Göttweiger Mönchen sind seine wesentlichen Quellen. Die Frage, die sich für Außenstehende beim Lesen immer wieder stellt: Wie kann derartiges jahrzehntelang verschwiegen und vertuscht werden?Möglich ist das nur in einem System, das das Amt mit dem Inhalt gleichsetzt. „Jemand, der sich im Glauben, Gottes Willen zu verwirklichen, Menschen vollständig unterwerfen will und dementsprechend jede Abweichung von seiner Lehre als Verrat ansieht, jemand, dessen Menschenbild anderen die totale Selbstverleugnung abverlangt, kann sich auch über jene Grenzen hinwegsetzen, die üblicherweise die zwischenmenschlichen Beziehungen regeln“, beschreibt Czernin Groers Verhalten als Folge seiner Weltsicht.Das Buch könnte die Erkenntnis fördern helfen, daß Glaube und totalitäre Strukturen nicht nur nichts miteinander zu tun haben, sondern in Wirklichkeit unvereinbar sind.Hubertus Czernin: Das Buch Groer. Eine Kirchenchronik. Wieser Verlag, Klagenfurt, S 248.-