Stefanie Wagner hat ein Projekt zum gemeinsamen kreativen Arbeiten mit Flüchtlingsfrauen gegründet. Ein Gespräch über dominante Männer, starke Frauen und schwierige Behördengänge.
Ausgabe: 2017/28
11.07.2017 - Interview: Paul Stütz
Sie haben in Oberneukirchen ein eigenes Flüchtlingsprojekt für Frauen auf die Füße gestellt: „Kreativ-aktiv“. Wie kam es dazu? Stefanie Wagner: Vor zwei Jahren habe ich gemeinsam mit einigen Ehrenamtlichen 14-täglich ein Cafétreff im Pfarrhof für die Flüchtlinge gegründet. Das war den Flüchtlingsfrauen aber zu wenig, sie wollten sich wöchentlich treffen, da es für sie kein Freizeitangebot gab und gibt. Da habe ich vorgeschlagen, wir könnten gemeinsam basteln oder handarbeiten. Überraschenderweise ergab sich für mich die Möglichkeit, eine Wohnung anzumieten, in der ich schlussendlich eine Näh-Werkstatt eingerichtet habe.
Was ist Ihre Motivation? Wagner: „Das Geringste, das du meinem Bruder getan hast, das hast du mir getan“, ist mein Leitsatz. Was mir wichtig ist, dass sie etwas mitnehmen können von unserem Tun. Dass ihnen auf jeden Fall geholfen ist, auch wenn sie in ihre Heimatländer zurückmüssen oder -wollen. Vielleicht verkauft eine der Frauen einmal in Afghanistan ihre selbst geschneiderte Ware, wer weiß?
Wie viele Frauen kommen in die Werkstatt? Wagner: Wir sind sieben Frauen beim Projekt, sie kommen aus Syrien, Irak, Iran und Afghanistan. Beinahe jeden Tag sind sie hier. Auch ihre Kinder nehmen sie mit, in der Werkstatt gibt es Kinderspielsachen. Ich habe ihnen alles gezeigt, sie konnten zum Beispiel nicht nähen, wollten es aber lernen. Nach zwei Wochen üben waren sie dann schon so weit, dass sie selbstständig was ausprobiert haben. Sie können einfache Stücke wie Taschen und Schürzen entwerfen und schneidern. Es ist unglaublich, welche Kreativität in ihnen steckt, von der sie gar nichts gewusst haben. Bei mehreren Basaren haben sie ihre Stücke dann gegen Spenden abgegeben. Das hat sie sehr motiviert weiterzumachen.
Wie haben die Ehemänner der Frauen auf dieses Projekt reagiert? Wagner: Die Männer sind am Anfang fallweise unter irgendeinem Vorwand nachschauen gekommen. Ein Mann war sehr skeptisch mir gegenüber. Wahrscheinlich hatte er Angst, ich könnte die Frauen irgendwie falsch beeinflussen. Er hatte einen richtigen Hass auf mich. Mittlerweile hat sich die Aufregung aber gelegt. Die Männer haben ja gesehen, dass das Projekt ihren Frauen hilft, hier Fuß zu fassen. Das zeigt, dass die Integration zwar nicht immer leicht ist, es aber kleine Fortschritte gibt. Hat Sie das gestört, als Sie merkten, dass die Männer ihre Frauen kontrollieren wollen? Wagner: Ja schon. Ich habe den Flüchtlingsfrauen zum Beispiel gesagt, dass sie alleine zu ihren Terminen auf das Arbeitsamt und zum Arzt gehen sollen und nicht immer den Mann mitnehmen, der für sie redet. Bei uns in Österreich muss die Frau das allein können. Sie müssen bei uns Stärke zeigen, das will ich ihnen mitgeben.
Haben die Flüchtlinge in Oberneukirchen schon den Asylstatus bekommen? Einige schon. Bei ein paar Flüchtlingen läuft das Verfahren noch. Ich finde die Verfahren sind sehr undurchsichtig, bei gleichen Voraussetzungen bekommt die eine Asyl und die andere muss noch lange warten. Ich sage meinen Frauen, ich weiß auch nicht, nach welchen Kriterien die Behörden entscheiden.
Die Herausforderungen in der Flüchtlingshilfe bleiben also bestehen? Wagner: Die Herausforderungen haben sich zur Job- und Wohnungssuche verschoben. Wenn sie Asylstatus haben und aus der Grundversorgung rauskommen, gibt es viel zu tun. Sie brauchen hier unbedingt eine Zeitlang eine Begleitung. Meine Erfahrung ist: Ohne die ehrenamtlichen Begleiter/innen würden die Flüchtlinge schwerer zu den Sozialleistungen kommen, die ihnen zustehen. Bei den Behördengängen ist es für die Flüchtlinge hilfreich, mit einer Österreicherin vorzusprechen, teils auch wegen der Sprache. Als persönliche Begleiterin weiß ich um die Gegebenheiten des Flüchtlings und kann somit schnell und hilfreich vermitteln. Gerne erwähne ich, dass ich eine Flüchtlingsbegleiterin von der Pfarre bin, der Respekt bei den Behörden ist dann oftmals um einiges größer.
Die Flüchtlinge bitten Sie nach wie vor um Unterstützung? Wagner: Ja, zum Beispiel hat mich eine Familie gebeten, dass ich bei einem Wohnungsvermieter anrufe, weil das besser ankommt. Die Gefahr ist, dass die Flüchtlinge sonst immer wie zweite Ware behandelt werden. Was ich nicht verstehe, ist, dass alle so vorsichtig sind gegenüber den Asylwerbern, auch die Firmen. Nehmen wir die Flüchtlinge einfach so wie sie sind. Wenn etwas nicht passt, muss man das klar ansprechen und eine Lösung finden. Aber nicht von vornherein sagen, dass wird eh nichts. «
Auszeichnung
Stefanie Wagner, bis Februar 2017 Pfarrsekretärin von Oberneukirchen, wurde im Parlament in Wien für ihr Projekt „Kreativ-aktiv mit Flüchtlingsfrauen“ mit dem 2. Platz beim Frauen-Integrations-Award 2017 ausgezeichnet.