Die verschlungenen Wege des Labyrinths führen immer zum Ziel. Warum fasziniert es die Menschen schon seit Jahrtausenden?
Ausgabe: 2015/17, Labyrinth, Candolini
21.04.2015 - Christine Grüll
Das Labyrinth ist eines der ältesten Symbole der Menschheit. Im Gegensatz zum Irrgarten mit seinen verzweigten Wegen, führt beim Labyrinth nur ein Pfad über Umwege zum Ziel. Schon vor mindestens 3200 Jahren wurde es in Griechenland verwendet. In der christlichen Tradition diente es zur Buße. An bestimmten Stationen wurden Gebete gesprochen. Der Weg symbolisierte den Weg der Seele zur Erlösung, aber auch die Pilgerfahrt nach Jerusalem. Heute werden Labyrinthe gerne auf Plätzen oder in der Natur gestaltet. Mit Platten, Steinen, Holz oder Pflanzen – oder einfach in den Rasen gemäht. Liebevoll angelegte Beispiele in Oberösterreich gibt es in Hofkirchen im Mühlkreis, im Stift Schlägl, beim Kloster der Schwestern in Baumgartenberg, bei den Franziskanerinnen in Vöcklabruck oder der Evangelischen Kirche in Bad Goisern. Doch was begeistert die Menschen am Labyrinth?
Aus der Seele ans Licht
„Die Faszination liegt darin, dass das Labyrinth das Leben abbildet“, sagt Gernot Candolini. Seit 20 Jahren beschäftigt sich der in Innsbruck lebende Lehrer und Designer von Labyrinthen mit diesem Symbol: „Während wir auf dem Weg sind, verlieren wir oft leicht den Überblick. Erst aus der Distanz betrachtet verstehen wir den verschlungenen Weg und merken, dass er wunderschön ist.“ In seinen Seminaren – kürzlich war er im Bildungshaus Schloss Puchberg – erlebt er unterschiedliche Reaktionen. Für manche der Teilnehmenden ist der Weg durchs Labyrinth nur ein Zeitvertreib. „Für manche aber, die sich in einer besonderen Phase ihres Lebens befinden, kommt aus der Seele heraus etwas ans Licht.“
Im Umbruch
Mit dieser Wirkung des Labyrinths arbeitet auch Dr. Maria Prieler-Woldan. Die Linzer Soziologin, Seelsorgerin und Trainerin begleitet Menschen, die sich zum Beispiel in einer Lebensphase des Umbruchs befinden. Bei ihrem jüngsten Seminar beim Labyrinth der Franziskanerinnen in Vöcklabruck gab sie den Teilnehmenden die Erzählung vom verlorenen Sohn mit auf den verschlungenen Weg. Die Impulse lauteten „aufbrechen und heimkehren, verlieren und finden“. Maria Prieler-Woldan: „Das Labyrinth füllt den Raum aus mit einem Maximum an Umwegen. Wiederholt geht es am Ziel vorbei. Es ist ein spiritueller Ort, ein Ort zum unterwegs Sein und Innehalten, ein Ort der Begegnung.“
Buchtipp: Gernot Candolini, Labyrinth: Inspiration zur Lebensreise, erscheint im Mai im Herder Verlag. www.labyrinthe.at Seminar: Dr. Maria Prieler-Woldan: Frisch in Pension. Für Menschen im Übergang zu einem neuen Lebensabschnitt, 12./13. Juni, Cardijn Haus, Linz. Info & Anmeldung: Martha Stollmayer, Kath. ArbeitnehmerInnen Bewegung, Tel. 0676/87 76 36 64. http://prieler-woldan.at
Fragen im Labyrinth Was ist mir wirklich wichtig? Was will ich erreichen? Was will ich tun? Was ist mein nächstes Ziel? Wohin will ich gelangen? Mit wem will ich gehen? Was will ich lassen? Was kann ich getrost loslassen? Wen lasse ich in Frieden ziehen? Was brauche ich nicht mehr? Auf wen höre ich? Wem kann ich vertrauen? Wofür möchte ich danken? Wen möchte ich segnen? Gernot Candolini