Fast reflexartig kommt bei manchen Menschen beim Thema „Kinderrechte“ auch die Frage nach den Kinderpflichten. Für die Schulpsychologin Andrea Richter hat allerdings das eine nichts mit dem anderen zu tun und sie erklärt auch, warum.
Ausgabe: 2017/27
04.07.2017 - Brigitta Hasch
„Für mich sind Kinderrechte und Kinderpflichten auf keinen Fall die zwei Seiten einer Medaille“, so Andrea Richter. Sie erklärt: „Die beiden haben genau genommen gar nichts miteinander zu tun. Kinderrechte sind Grundrechte. Sie gelten auf jeden Fall, auch wenn Pflichten nicht erfüllt werden.“ Ein klares Statement, das sie noch weiter ausführt.
Kinderrechte sind grundlegende Normen
Als Schulpsychologin sind für die Expertin vor allem drei Kinderrechte besonders relevant, da sie im Unterricht und im Miteinander von Lehrer/innen und Kindern eine große Rolle spielen: Das Recht auf Gleichbehandlung, auf Schutz vor jeglicher Gewalt, Vernachlässigung oder Ausbeutung sowie das Recht auf Bildung sind für sie mehr als gesetzliche Normen. Sie sind, wie alle Kinderrechte, die Basis für die Stellung von Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft. Sie sind nicht verhandelbar und es ist wichtig, Kinder darüber auch zu informieren.
Die Einhaltung der Kinderrechte in Schulen hält Richter für weitgehend gegeben. „Körperliche Gewalt durch Lehrkräfte kommt nur mehr in seltenen Fällen vor. Dagegen wird psychische Gewalt leider noch eingesetzt, vor allem auch wenn Lehrerinnen und Lehrer sich überfordert fühlen, z.B. durch öffentliche Beschämung von Kindern und Jugendlichen in der Klasse. Aber auch dem müssen wir entschieden entgegenwirken.“
Pflichten regeln den Umgang
Das Schulgesetz schreibt den Schülerinnen und Schülern ein angemessenes Verhalten in der Schule vor. Sie haben den Anweisungen des Lehrkörpers zu folgen. Auch jegliche Form von Gewalt verbietet dieses Gesetz. „Halten sich Kinder und Jugendliche nicht an diese Pflichten, wird die Schuld dafür gerne bei anderen gesehen. Gymnasium und Mittelschule verweisen auf die Volksschule, diese wiederum auf den Kindergarten, und hier sieht man oft ein Versäumnis in den Familien“, weiß Richter aus ihrer Erfahrung. In Wahrheit sollte jeder dazu beitragen, den Heranwachsenden die Regeln im Umgang miteinander zu vermitteln. Dazu zählt auch, die eigene Vorbildwirkung zu erkennen und als Erwachsener selbst seine Pflichten zu erfüllen. „Man sollte Kindern und Jugendliche nicht nur zurück melden, wenn ihr Verhalten nicht angepasst oder falsch ist. Es ist wichtig die gewünschten Verhaltensalternativen aufzuzeigen. Darum sollten etwa auch Klassenregeln positiv formuliert werden und nicht aus einer langen Liste aus Verboten bestehen“, so Richter. „Ja, Kinder haben Pflichten und es ist auch aus pädagogischer Sicht sinnvoll, ihnen altersgemäß bestimmte Aufgaben zu übertragen“, das gilt für die Schule ebenso wie für den privaten Bereich.
Aufgaben, die der Entwicklung des Kindes entsprechen, fördern Selbstvertrauen, Selbstständigkeit und Pflichtgefühl. Den Geschirrspüler ausräumen oder das Zimmer sauber halten – es sind alles Pflichten, durch die der junge Mensch erfährt, dass er Teil des Miteinanders ist. Und ein „Gut gemacht“, motiviert.
Demokratie lernen
Früher gehörte auch ein unbedingter Gehorsam gegenüber den Eltern zu den Kinderpflichten. „Heute wissen wir, dass das ein gefährlicher Auftrag sein kann. Kinder und Jugendliche müssen früh lernen, Aufforderungen auch zu hinterfragen und im Zweifelsfall abzulehnen.“ Teilhabe und Mitsprache bei den Kinderpflichten sind für Andrea Richter ganz wichtig, um Kinder an die Regeln der Demokratie heranzuführen. «