Der Kolping-Verein hat in Linz ein neues Haus für ältere Menschen eröffnet. Ein Gespräch mit Kolping-Präsidentin Christine Leopold über leistbares Wohnen, Familie im Wandel und die Kolping-Idee.
Ausgabe: 2017/27
04.07.2017 - Christine Grüll
Kolping Österreich betreibt verschiedene Wohnprojekte in Österreich. Was ist der Kolpinggeist in diesen Häusern?
Christine Leopold: Grundsätzlich geht es bei Kolping immer um die Hilfe zur Selbsthilfe. Die Mobilisierung der eigenen Kräfte soll angeregt werden, damit die Menschen befähigt werden, ihr Leben selbst oder wieder selbst in die Hand zu nehmen. Bei Jugendlichen ist es ein anderer pädagogischer Ansatz als bei Erwachsenen, die aus verschiedenen Gründen – durch Überschuldung, Obdachlosigkeit, Arbeitsverlust, Scheidung oder Suchtkrankheit – in Turbulenzen gekommen sind.
Das Thema „Wohnen“ heute und in Zukunft: Wo sehen Sie hier die größten Herausforderungen?
Leopold: Derzeit ist ganz sicher das leistbare Wohnen eine große Herausforderung. Unsere Einrichtungen sind ja als vorübergehende Hilfestellung gedacht. Es fällt auf, wie schwer es für die Leute geworden ist, leistbaren Wohnraum zu finden. Wir sind bemüht, Spenden für eine Kaution aufzutreiben. Oder wir mieten zum Beispiel im Namen von Kolping eine Wohnung an, wenn eine Frau Probleme hat, weil auf dem Lohnzettel zu wenig draufsteht.
Die „Stadtoase“ in Linz will älteren Menschen eine Teilhabe am Gesellschaftsleben ermöglichen. Wie kann das gelingen?
Leopold: Grundsätzlich hat das Haus in Linz den großen Vorteil, dass auch Jugendliche darin wohnen. Das heißt, es wird informell zur Begegnung der Generationen kommen, etwa im Speisesaal beim Mittagessen. Dann gibt es formelle Angebote wie die Suche von Partnern für Kartenspiele oder einen gemeinsamen Ausflug. Ein Haus ist schnell einmal gebaut, aber das Leben im Haus zu gestalten, das ist die wichtige und herausfordernde Tätigkeit von Kolping. Bei uns beginnt das schon in der Architektur. Alle unsere Häuser zeichnen sich durch großzügige Gemeinschaftsräumlichkeiten und einladende Eingangsbereiche aus sowie durch Verweilplätze, wo man gerne ins Gespräch kommt. Privatsphäre ist jederzeit möglich, aber es ist die Einladung da zur Gemeinschaft. Wir von Kolping sind überzeugt, dass sich der Mensch in der Gemeinschaft besser entfalten kann und sich wohler fühlt.
Sind solche Häuser auch von politischem Interesse?
Leopold: 80 Prozent der Menschen werden nach wie vor von Angehörigen gepflegt. Aber die Familienstruktur ändert sich. Die Familien leben nicht mehr in unmittelbarer Nähe, die Kinder werden weniger, die Geschwisteranzahl nimmt ab. Deshalb glaube ich, dass das Bewusstsein der Politiker gegenüber Angeboten für ältere Menschen schon sehr ausgeprägt ist.
Die vier Säulen der Kolpingarbeit sind Familie, Arbeit, Gesellschaft und Religion. Wie kommt Glaube in den Projekten zum Ausdruck?
Leopold: Wir bemerken vor allem bei älteren Menschen, dass die Frage des Glaubens, der Religion ein großes Thema ist. Auch die Jungen beschäftigen sich damit, vielleicht nicht in einer herkömmlichen Art und Weise, aber in einer modernen. Die Kolpinggemeinschaft ist getragen von einer religiösen Grundstimmung. Wir stützen uns auf das Evangelium, auf das Wirken Adolph Kolpings und auf die katholische Soziallehre. Sie spiegelt sich in unserer Arbeit wider. «
Kolping-Wohnprojekte
Kolping Österreich hat sich seit der Gründung durch den Priester Adolph Kolping vor rund 160 Jahren vom Gesellenverein zum Sozialverband entwickelt. Die Hauptaufgabe ist das Jugendwohnen mit ca. 6000 Plätzen. Daneben bietet Kolping – in Oberösterreich in acht Städten – Einrichtungen für Mutter und Kind, junge Frauen bzw. Kinder, für Jugendliche in Notsituationen, für Menschen mit Behinderung und für Pflegebedürftige sowie betreubares Wohnen.