Die Organisation Jugend Eine Welt will Menschen mit Behinderung ab 2018 auf Auslandseinsatz schicken. Dass das sehr sinnvoll ist, kann Erwin Buchberger bestätigen. Er sitzt im Rollstuhl und war als Freiwilliger in Lettland im Einsatz.
Ausgabe: 2017/26
27.06.2017 - Paul Stütz
Was hat Sie dazu bewogen, einen Auslandseinsatz zu machen?
Erwin Buchberger: Ich würde mich selber als Abenteurer bezeichnen. Ich war mein Leben lang Pfadfinder. Von Freunden, die den Freiwilligendienst gemacht haben, erfuhr ich, dass es diese Möglichkeit gibt. Eine Freundin, die gehbehindert ist, war ein Jahr lang in Belfast und ist total verändert zurückgekommen. Sie hat ihre Schüchternheit abgelegt und ist alleine durch die Welt gereist. Das hat mich gereizt, es auch auszuprobieren.
Wie sind Sie dann konkret zu Ihrem Auslandseinsatz gekommen?
Buchberger: Ich habe mit der Organisation „Grenzenlos“ Kontakt aufgenommen. Es wurde darauf geachtet, wie groß der Unterstützungsbedarf für den Freiwilligeneinsatz ist. Bei mir war das eine Form der Persönlichen Assistenz. Ich musste klären: Wer fliegt mit hin, wer hat vor Ort Zeit? Ich habe mich selber um das gekümmert.
Sie waren in einer integrativen Schule in Lettland. Was kann man sich darunter vorstellen und wie hat Ihr Auslandseinsatz ausgesehen?
Buchberger: Ich habe der Schule vor allem bei EDV-Angelegenheiten geholfen. In diese Schule gingen ein Kind, das im Rollstuhl sitzt, und zwei blinde Kinder, die restlichen Schüler sind nicht behindert. Ich war in Österreich auch immer in Integrationsklassen in „normalen“ Schulen. Das hat mich glücklich gemacht, mit Nichtbehinderten zusammen zu sein. Integriert und nicht separiert zu sein ist ganz wichtig. <
Was hat Ihnen den Auslandseinsatz gebracht? Buchberger: Ich habe sehr profitiert und habe viele nette Menschen kennengelernt. Die Kinder haben mich in der Früh gleich voller Freude begrüßt. Da wusste ich, dass ich etwas richtig gemacht habe. Einen Freiwilligendienst macht auch nicht jeder. Ich werde nach wie vor bei jedem Vorstellungsgespräch darauf angesprochen. Ich habe nicht studiert und da ist es eine gute Möglichkeit, trotzdem ins Ausland zu gehen und etwas Sinnvolles zu machen.
Sie waren in der Rolle des Helfers: War das ungewohnt?
Buchberger: Ja, das hat sich neu angefühlt. Sonst war ich immer der, der Hilfe braucht, und da konnte ich Hilfe geben. Das war schön. Wenn sich die Leute freuen, dass man da ist. Ich hatte das Gefühl, ich habe etwas geschafft.
Wie schwierig ist es für Menschen mit Behinderung, einen Arbeitsplatz zu finden?
Buchberger: Für mich ist es sehr schwierig, ich habe im Moment auch keine Arbeitsstelle. Viele Unternehmen rühmen sich, dass sie etwas für Menschen mit Behinderung machen. Die Realität sieht anders aus. Ich habe erst vor Kurzem eine Absage für einen Job bekommen. Ich hätte aber bei der Firma arbeiten können, wenn ich ein Arbeitstraining des AMS begonnen hätte. Das habe ich abgelehnt. Denn ich war sauer, dass ich gut genug bin mitzuarbeiten, aber nicht gut genug, um bezahlt zu werden. Das ist eine schlimme Vorgehensweise.
Mit welchen Vorurteilen haben Sie zu kämpfen?
Buchberger: Im Alltag wird es weniger. Vielleicht weil ich einer bin, der sich nicht zu Hause versteckt und das Leben so annimmt ,wie es ist. Beruflich ist es schwieriger, unter anderem aufgrund des Kündigungsschutzes für Menschen mit Behinderung. Wobei man für den auch erst ansuchen muss. Dennoch ist da natürlich die Angst der Unternehmen, dass sie jemanden mit Behinderung aufnehmen, der Probleme macht und den sie nicht mehr losbekommen. Das ist ganz schlimm und hilft niemandem. Diese Regelung ist ein Hemmschuh. «
Inklusive Einsätze
Ein neues Pilotprojekt von Jugend Eine Welt, das von der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (ADA) gefördert wird, soll professionelle Rahmenbedingungen für inklusive Freiwilligeneinsätze schaffen. Erste Einsätze soll es ab Sommer 2018 geben.