Musik zur Reformationszeit in Steyr: damit beschäftigt sich der Musiker, Komponist und Musikwissenschafter Martin Fiala seit Jahren. Vergessene Komponisten wie P. Sebastian Ertel holt er nun aus der Versenkung – und das mit Leidenschaft.
Ausgabe: 2017/40
04.10.2017 - Elisabeth Leitner
Martin Fiala hat eine Mission: Er will zwei Komponisten des Frühbarock in die Musikwelt zurückholen: „Ich habe mich vier Jahre lang eingegraben in diese Musik – es ist eine wahnsinnig schöne Musik“, liefert er auch gleich den Grund dafür. Es handelt sich bei den Komponisten um den Benediktinerpater Sebastian Ertel und Paul Peuerl, einen evangelischen Kirchenmusiker. Ertel ist um 1550/60 in Maria Zell geboren und starb 1618. Er war ein Priester mit auffälligen Talenten: Seine Predigten, seine Taufen hinterließen Eindruck, ebenso sein Einsatz für die Kirchenmusik, er war als Komponist und Orgelfachmann gefragt. Der evangelische Kirchenmusiker Paul Peuerl war sein „musikalischer Gegenspieler“ in der Region Steyr, sagt Fiala. Er lebte ungefähr von 1570 bis 1625. Sein genaues Sterbedatum ist nicht bekannt.
Musik aus dem 17. Jahrhundert
Beide waren in der Reformationszeit in Steyr und Umgebung aktiv, ob sie sich gekannt haben, ist nicht überliefert. Peuerl war ein Übergangskomponist des 17. Jahrhunderts, auch er orientierte sich wie sein Kollege Ertel am italienischen Vorbild. Der große Unterschied zu seinen katholischen Brüdern bestand darin, dass er für seine Texte Deutsch verwendete – und nicht Latein. Peuerls Werke fanden Eingang in die Musikwelt, von ihm sind auch viele „weltliche“ Kompositionen erhalten: Popularmusik für Hochzeiten, Feste, Tanzmusik. Unvergessen ist sein fünfstimmiges Vokalwerk „Der Weltspiegel“, den er 1613 komponiert hat.
Der Weltspiegel
Heute, über 400 Jahre später, ist der „Weltspiegel“ auf Fialas Betreiben hin – gemeinsam mit dem Verlag Duo La Perla und der evangelischen Kirche – neu aufgelegt worden: „neue deutsche Gesänge von Freud, von Leid, von Glück und Tück dieser Welt“ werden u.a. bei einem Konzert anlässlich des Reformationsjubiläums am 21. Oktober in Steyr zu hören sein (siehe Konzerttipp).
Von Peuerl zu Ertel
Der Benediktinerpater Sebastian Ertel ist fast in Vergessenheit geraten, von Ertels Werken existierte kein einziger Notendruck. Zu Unrecht, wie Fiala findet: „Seine Werke waren am Puls der Zeit. Er orientierte sich an italienischen Komponisten, er hat kunstvolle Werke komponiert.“ An die 150 Vokalkompositionen hat er verfasst. Die Marienverehrung spielte eine große Rolle und drückte sich im Schaffen aus: Etwa 35 Magnifikat-Kompositionen hat Ertel geschrieben, dazu kommen 22 Vespergesänge, zehn Messen, eine Symphoniae Sacrae.
In den Archiven forschen
Während das weltliche Musikleben der frühen Zeit (um 900) weitgehend undokumentiert blieb, ist von der Pflege der Kirchenmusik in den Klöstern Garsten und Gleink in den Archiven einiges erhalten. Fiala hat in den Archiven gegraben und vieles zutage gefördert. Er selbst ist durch Zufall auf Ertels Existenz gestoßen. 62 Werke hat Martin Fiala bislang rekonstruiert. Ertels Kompositionen liegen u.a. in den Archiven von Regensburg, Breslau, Litschau, München, Dresden, Krakau und Kremsmünster. Der Musiker und Musikwissenschafter aus Steyr hat über Ertels Leben und Werk sogar eine Doktorarbeit geschrieben.
Musik erklingt erneut
Ihn heute wieder unter das Musikvolk zu bringen, ist ihm als aktiver Musiker und Direktor der Steyrer Landesmusikschule ein großes Anliegen. Dazu gehört auch, diese Musik zum Klingen zu bringen: Beim bereits erwähnten Konzert wird oberösterreichische Kirchenmusik aus fünf Jahrhunderten zu hören sein. Martin Fiala wird dieses Konzert in der ehemaligen Wirkungsstätte Peuerls, der Marienkirche, leiten. Viele Ensembles sind dabei zu Gast.«
Konzerttipp: Sa., 21. Oktober 2017, 19.30 Uhr, oö. Kirchenmusik aus fünf Jahrhunderten, Chor der LMS Steyr, Euregio Kammerchor, Chor der Pfarre Mauthausen musica viva, Chorgemeinschaft Leonding, Blechbläserquintett Solid Brass, Inga Fabsits (Cembalo), Marienkirche, Steyr.