Niemand hier möchte so leben. In den Hütten der Armen sehnt man sich vermutlich auch nach mehr. Doch wer in solchen Hütten war, staunt. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2017/26
27.06.2017 - Matthäus Fellinger
Kein Fernsehen. Kein Radio. Kühlschrank auch keinen. Kein Regal mit Büchern. Kein Auto. Auch kein Bett für sich allein. Ein bescheidenes Stück Land nur, auf dem die Früchte gedeihen. Eine Hütte, die sie mit ihren Angehörigen teilen. So leben Millionen, nein, Milliarden Menschen auf der Welt – wie Menschen, von denen man sagt, sie hätten – nach einer Katastrophe vielleicht – fast alles verloren.
Niemand hier möchte so leben. In den Hütten der Armen sehnt man sich vermutlich auch nach mehr. Doch wer in solchen Hütten war, staunt. Wie gelingt es diesen Menschen, trotzdem ein zufriedenes Leben zu führen? Sie haben nur sich selbst und sie haben einander. Viel mehr nicht.
Sie haben vor allem keine Ablenkungsmöglichkeiten von sich und voneinander.
So zu leben ist eine sehr hohe Kunst. Man kehrt nachdenklicher, zufriedener aus solchen Hütten heim. Ist nicht vieles, womit man sich umgeben hat, auch ein Ausweichen – weil man sich selbst nicht genug ist, und weil man sich einander auf Dauer nicht aushält? Was würden die Menschen, die man für die Armen der Welt hält, sagen, wenn sie in unsere Häuser kämen – mit den Zerstreuungsmöglichkeiten – wo man sich im Vielen so leicht verliert? Vielleicht, dass die Menschen hier etwas vom Kostbarsten verloren haben: Die Fähigkeit, zufrieden zu sein mit dem Leben selbst.