So bunt wie die Kirche selbst, so vielfältig war auch die Lange Nacht der Kirchen in Oberösterreich: mit 400 Stunden Abendprogramm lockte sie am 9. Juni wieder tausende von Besuchern in kirchlich geprägte Orte und Räume. Von Linz bis Oberberg am Inn waren die Türen der Pfarrkirchen weit geöffnet. Bei 300 Veranstaltungen wurde Raum für Stille und Gebet, für Musik und Kunst, für Diskussionen und Begegnungen geboten.
Ausgabe: 2017/24
13.06.2017 - ELLE/PS/BH/MF
Freitagnachmittag: Während die bunte abendliche Beleuchtung im Linzer Mariendom schon einmal durchgespielt wird, entdecken die Kinder bereits am späten Nachmittag das angenehm kühle Linzer Gotteshaus für sich. Domführerin Theresa Engleder verrät den Kindern, dass 20.000 Menschen in den Mariendom passen, genauso viele wie ins Linzer Stadion. Damit ist der Dom die größte Kirche Österreichs. Die Kinder erhalten Einblicke in Teile des Doms, die sonst nicht zugänglich sind: etwa den Turm, das Geläut und den Dachboden. Simon Koller (9) aus Linz war schon vor zwei Wochen mit der Schule im Dom und wollte bei der Langen Nacht der Kirchen mit seinem Papa nochmals hierher, weil ihn die Kirche so fasziniert hatte. „Ich mag die Paulus- und Petrusstatuen besonders und dass der Dom aus Sandstein gebaut ist,“ erzählt er. Ein Highlight ist für den Volksschüler außerdem der Blick vom Turm des Doms auf die Stadt. Tatsächlich ist die Aussicht einmalig schön. Von oben sieht man schon das geschäftige Treiben der Langen Nacht.
„Gott liebt diese Welt“ – Mit diesem Lied wurde die Lange Nacht der Kirchen beim ökumenischen Gottesdienst im Linzer Mariendom eröffnet. „Die Nacht ist eine besondere Zeit. Sie bringt vieles zum Verstummen“, so Superintendent Gerold Lehner in der Predigt. Im Anschluss an die Vesper gab es eine Diskussion über „Sakrale Räume heute“ (siehe Spalte rechts). Texte und Orgelklang sowie das Ensemble Lala waren danach in konzentrierter Atmosphäre im Mariendom zu hören.
Das Kommen und Gehen ist Teil der Langen Nacht – viel Programm erwartet die Besucher/innen. Schon beim Prolog der Chor-I-Feen treffen sich im Alten Linzer Dom die Länder aus allen Himmelsrichtungen, mit ihnen kommen die unterschiedlichsten Musikinstrumente wie Didgeridoo, Akkordeon oder Cajon. Die Buntheit der Länder und Menschen wird durch die verschiedenen Musikrichtungen von Schubert über Vangelis bis Paul McCartney zum Ausdruck gebracht. In die Krypta der Karmeliten lädt die Gefangenenseelsorge Interessierte ein, den Alltag im Gefängnis anhand von Erfahrungsberichten und Bildern kennenzulernen.
Gänsehaut
Genauso bunt wie die Pfarren selbst, präsentiert sich am Freitagabend das Programm der Langen Nacht der Kirchen in den Regionen. Gestartet wird die Lange Nacht z. B. in Sandl mit einer Kirchenführung. Nach der Vesper und der Kirchenralley verlagert sich der Schauplatz ins Pfarrheim. Hier erwartet die Gäste ein biblisches Buffet. Gehüllt in wunderschöne Licht- und Bildeffekte wird der Kirchenraum um 21 Uhr zur Bühne eines einzigartigen Raum- und Klangerlebnisses. Als besonders imposant empfinden viele Gäste das „Jubilate Deo“, welches als letztes Lied von allen Chören gemeinsam vorgetragen wird: „Gänsehautfeeling inklusive“, wie die Pfarrmitarbeiter/innen vor Ort berichten.
Obdachlosigkeit in Linz
Das Thema Obdachlosigkeit griff eine Führung auf, die am Martin-Luther-Platz startete. Obdachlosenseelsorger Helmut Eder zeigte den Besucher/innen neun Orte, an denen sich wohnungslose Menschen in Linz aufhalten. Im Fokus steht der Volksgarten, der beliebter Treffpunkt für Obdachlose ist. Hier finden Obdachlose auch Bade- und Waschmöglichkeit vor. Im Citypark neben der Martin Luther-Kirche kann man sein Wissen über Obdachlosigkeit abtesten. So erfährt man, dass es in dem kleinen Park keine Schlafmöglichkeiten mehr gibt oder dass die Polizei das Recht hat, jede/n von diesem Platz zu verweisen.
www.dioezese-linz.at/obdachlosinlinz
Wo Menschen ihr Herz hineinlegen
Was sind die Kathedralen der Moderne? Welche Bedeutung haben sakrale Räume heute? – Das diskutierte eine prominent besetze Runde im Rahmen der Langen Nacht. Kirchen sind für Bischof Manfred Scheuer „besondere Orte, weil in diese Gebäude Menschen ihr Herz hineinlegen – von der Hochzeit bis zum Gebet mitten im Leben – mit all seinen Abgründen“. Prof. Anna Minta (KU) erklärte, dass nur die Bedeutungszuschreibung ein Gebäude zu einem sakralen Ort werden lässt. Licht, Kunst und Architektur sind Hilfsmittel. „Die Herausforderung für die Kirche ist mehr zu bieten als den Einkaufsrausch im Shoppingcenter. Kirche muss mehr leisten als eine mystische Atmosphäre“. Dr. Martina Gelsinger erlebt Kirchen als stimmig, wenn „Geschichte und Gegenwart ein harmonisches Ganzes ergeben“. Neugestaltungen sind immer auch Impulse für die Pastoral, sie sind gemeinschaftsstiftend und identitätsbildend.