Zufällig hat sich der Heimaturlaub von Pfarrer Franz Windischhofer aus Peru und Christian Mayr aus Brasilien überschnitten. Die beiden oberösterreichischen Priester und Missionare haben sich getroffen und ihre Erfahrungen ausgetauscht.
Ausgabe: 2017/24
13.06.2017 - Josef Wallner
Sekten – das Stichwort genügte und die beiden Priester sprudeln nur so über von Erlebnissen und Überlegungen. Seit etwa drei Jahrzehnten schießen in ganz Südamerika evangelikale Bewegungen wie Schwammerl aus dem Boden – auf Kosten der lange Zeit religiös alles dominierenden katholischen Kirche. In Brasilien ist der Anteil der katholischen Bevölkerung des Landes vor allem durch Abwanderung zu den Sekten, wie die evangelikalen Gemeinden auch genannt werden, von 90 auf 65 Prozent gesunken, erklärt Pfarrer Mayr: „Die Sekten vertreten eine Theologie des Reichtums. Sie versprechen Gesundheit, eine intakte Familie und Geld.“ Trotz aller theologischen Problematik nimmt Pfarrer Windischhofer die Sekten als eine Laienbewegung wahr, die nahe am Volk, im Volk und beim Volk ist: „Vielleicht haben wir das Familiäre übersehen. Wenn jemand stirbt, ein Unglück passiert – von den Sekten ist gleich immer jemand da. Wie soll ich das als Priester mit vielen Pfarren machen?“ Die Stadt LEM, in der Christian Mayr Pfarrer ist, zählt mit ihren 90.000 Einwohner/innen, vier Pfarren und rund sechzig Pastoren mit eigener Kirche. An einer typisch brasilianischen Straßenkreuzung finden sich vier Einrichtungen: eine Apotheke, eine Bar, eine evangelikale Kirche und ein kleines Gemischtwarengeschäft, erklärt er mit Augenzwinkern. Die katholische Kirche hat im Unterschied zu den Sekten auch zu spät in die Medien investiert, diagnostiziert Mayr einen weiteren Grund für das explosionsartige Wachstum der Sekten. „Jetzt gibt es in Brasilien fünf katholische Fernsehkanäle, aber eben reichlich spät.“
Auch für Windischhofer ist der Einsatz der Medien entscheidend. Er betreibt schon lange in seinem Pfarrgebiet eine Radiostation und weiß, wie sehr das die Leute schätzen – von den Informationen zur Bewältigung des Alltags bis zu den religiösen Sendungen. Das Radio der Pfarre ist mein bester Freund, sagte ihm eine Frau, die alleine auf einem Bauernhof lebt. Die beiden Priester sind sich völlig einig: „Wir können in manchen Bereichen von den Sekten lernen, aber um der Wahrheit des Glaubens Willen können wir nicht so wie sie agieren“. Und sie führen Beispiele an: „Wir können nicht behaupten, dass jeder reich und gesund wird, wenn er nur fest genug glaubt. Vor allem das Umgekehrte widerspricht völlig unserer Theologie: dass ein Unglück, Krankheit oder Verlust des Arbeitsplatzes eine Folge von schwachem Glauben sind.“
Warum eine befreiungstheologisch geprägte Pastoral für die Menschen weniger anziehend ist als das Agieren der Sekten, erklärt Mayr mit dem langen Atem, der für nachhaltige Veränderungen notwendig ist: „Das ist frustrierend, mühsam.“ Die Sekten geben vor, alleine durch Gebet Veränderungen bringen zu können: „Aber ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht.“ Pfarrer Windischhofer spricht ein geflügeltes Wort aus Südamerikas Kirche an: Wenn die Leute eine Wasserleitung brauchen gehen sie zum Pfarrer, wenn sie beten wollen zu den Sekten. „Das darf nicht sein. Wir als Kirche müssen die Leute verstärkt in ihrem Gottvertrauen begleiten, auch mit den Zeichen, die wir haben, wie zum Beispiel mit der persönlichen Segnung.“ Wo die katholiche Kirche unschlagbar ist, sind die Feier der Karwoche und die Patronatsfeste, betonen die beiden Pfarrer: „Da kommen selbst die Evangelikalen zu uns.“ In einem weiteren Punkt denken sie gleich. Gerade im Blick auf die Sekten stehen für die katholische Kirche mutige, missionarische Reformen im Geist von Papst Franziskus an.