Es war ein besonderer Urlaub: Martin Kranzl-Greinecker und sein gut 14-jähriger Sohn Jakob sind in den Sommerferien nach Santiago de Compostela gegangen. Sechs Tage waren sie mit dem Rucksack die 120 Kilometer auf dem Camino Ingles unterwegs. Die Route gilt als Geheimtipp, die Idee, dass sich Vater und Sohn auf den Weg machen, ebenso.
Ausgabe: 2017/40
03.10.2017
Bei der Geburt hat es Martin Kranzl-Greinecker seinem Sohn Jakob versprochen: Wenn er einmal groß ist, werden sie zum Grab seines Namenspatrons, des heiligen Jakobus, nach Santiago de Compostela pilgern. Immer wieder wurde bei Familienfeiern von diesem Vorhaben gesprochen, das Vater und Sohn irgendwann einmal angehen werden. Als Jakob vor etwa einem Jahr meinte, dass es jetzt langsam an der Zeit wäre, das Versprechen in die Tat umzusetzen, wurde sein Vater doch einigermaßen nervös. Welche Wegstrecke könnten sie sich köperlich zumuten, wie wird das Miteinander werden? Im Alltag ist man ja nicht gewohnt, so viel Zeit miteinander zu verbringen. Im Buch „Jakobsweg light“ stießen die beiden auf den „Camino Ingles“. Die Route beginnt in der Küstenstadt Ferrol. Dort sind einst die Pilger aus England mit ihren Schiffen gelandet und die letzten 120 Kilometer nach Santiago zu Fuß gegangen. – Die Streckenlänge passte. Überdies bekommt man ab 100 Kilometer Fußweg eine offizielle Pilgerurkunde. Die wollten Vater Martin und Sohn Jakob natürlich auch.
Schritt für Schritt
Der Camino Ingles ist wenig begangen im Unterschied zum Camino Frances, der von den Pyrenäen kommt und inzwischen zu einer Wallfahrerautobahn geworden ist. Man zählt dort bereits 180.00 Menschen jährlich, auf dem Camino Ingles sind es an die 10.000. Am 11. August 2017 startete das Vater-Sohn Gespann aus Pichl bei Wels mit seinen zehn Kilogramm schweren Rucksäcken in Ferrol. Die Unsichheit, die der Vater in sich verspürte, war rasch verflogen. „Wir waren bald wirklich miteinander unterwegs, füreinander sorgend und aufeinander bezogen.“ Dem Zusammenwachsen Schritt für Schritt konnten auch kleine Krisen nichts anhaben. Gleich zu Beginn haben sie den Weg verloren. Nach einer Stunde, in der es stets bergauf ging, standen sie an einer Autobahntrasse an. Da hieß es umkehren. „Das passiert uns nicht mehr, hat Jakob gemeint“, erzählt der Vater. So war es auch. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Sohn mit seinem Handy zum Navigator. Für Jakob machte auch der Hauch von Abenteuer, der im Pilgern steckt, den Reiz der Tage in Nordspanien aus: „Nicht zu wissen, wo man schläft, wenn man ankommt, das war schon spannend.“ Keine einzige Blase hat er bekommen, wie er betont – anders als sein Vater: „Es ging nicht um die Wanderleistung, aber für ein paar Blattern hat’s schon gereicht.“ Doch das Zusammensein mit seinem Sohn hat alle Anstrengung wettgemacht: „Gespräche, die Vater und Sohn unter normalen Umständen nicht führen, sind einfach gekommen.“ Auch Jakob hat das so empfunden. In der Sprache eines Jugendlichen klingt das so: „Es war schön, dass wir Zeit gehabt haben, ein bissl zu reden.“ Neben den Gesprächen gehörten Zeiten des Schweigens und Nebeneinander-Hergehens ebenso dazu wie der Austausch über die Schönheiten der Natur. „Von früh bis abends draußen, Wind und Wetter ausgesetzt zu sein – auch das war für mich eine einzigartige Erfahrung“, betont Martin Kranzl-Greinecker.
Von Frau und Tochter erwartet
Martin und Jakob waren nicht das einzige Vater-Sohn-Gespann, das unterwegs war. Von einem Paar, das sie einige Male getroffen haben, merkten sie, dass sie abgebrochen haben und mit dem Bus ans Ziel gefahren sind. Umso mehr ist Martin Kranzl dankbar, dass sein Sohn und er ihr Vorhaben geschafft haben. Nach sechs Tagen sind sie in Santiago angekommen. Das letzte Stück zur Kathedrale hat die ganze Familie gemeinsam zurückgelegt. Martins Ehefrau Johanna und seine Tochter Anna sind nachgekommen und haben abschließend gemeinsam eine Woche Urlaub in Spanien verbracht. Die beiden Frauen freuten sich, als die Männer ihre „Compostela“, ihre Pilgerurkunde, in Empfang nehmen konnten.«