Maria ist Erdentochter und Himmelsfrau, meint die Theologin Christiane Koch. Sie hat dem Marienbild in den Evangelien nachgeforscht und es für sich lebendig gemacht.
Ausgabe: 2014/18, Maria, Christiane Koch, Goldenes Haus, Rankweil, Marienbild, Schmerzensmutter, Morgenstern, Pforte des Himmels, Evangelium, Lukas, König David
29.04.2014 - Christine Grüll
„Du Pforte des Himmels, bitte für uns! Du Morgenstern, bitte für uns!“ Seit dem Mittelalter beten Glaubende zu Ehren Marias die Lauretanische Litanei, die „Litanei von der Seligen (Jungfrau Maria)“, benannt nach dem italienischen Wallfahrtsort Loreto. Im Wechselgesang zwischen Vorbeter und Volk wird Maria als Mutter, Jungfrau und Königin oder mit bildhaften Namen angesprochen.
Ein ganz persönlicher Zugang
Wie aber lässt sich der Glaube an Maria mit Leben erfüllen? Wie kann ein ganz persönlicher Zugang gelingen? Die Theologin Christiane Koch hat dem Bild von Maria in den vier Evangelien nachgeforscht und ihre Erkenntnisse in einem Buch niedergeschrieben. Sie hat sich einiger Motive aus der Lauretanischen Litanei bedient, um sich der Mutter Gottes aus verschiedenen Perspektiven zu nähern. Eines davon ist Maria als „goldenes Haus“ („Du goldenes Haus, bitte für uns!“).
Du goldenes Haus
Im Lukas-Evangelium ist Maria – im Gegensatz zu den anderen Evangelien – erstmals als handelnde und sprechende Person präsent, vor allem in der Kindheitsgeschichte Jesu. Maria öffnet sich der Botschaft Gottes bedingungslos, auch wenn sie ihr selbst oft rätselhaft bleibt. Das „goldene Haus“ als Symbol für Maria deutet Christiane Koch auf verschiedene Weise. Das „Haus“ steht für ein Wohngebäude, aber auch für dessen Bewohner/innen, für die Großfamilie. Der Zimmermann Josef stammt aus dem Geschlecht Davids. Maria baut mit der Geburt Jesu am „Haus“ des Königs David weiter. „Das goldene Haus“ sind eben auch die Räume, die in ihm bewohnt werden können. In Maria ist Raum für das lebendige Wort Gottes. Sie wird als „selig“ gepriesen, im Sinne einer inneren Freude, die aus einer tiefen Verbundenheit mit Gott entstanden ist. Im Wort Gottes liegt die Quelle ihrer Lebensfreude. In Maria ist Raum für die Menschwerdung Gottes. Jesus ist aus ihr geboren.
Himmelsfrau und Schmerzensmutter
Christiane Koch nennt Maria die „Erdentochter“, in der der Himmel Raum findet, und die „Himmelsfrau“, in der auch die Erde Raum findet. In Maria begegnen einander Himmel und Erde. Oft wird Maria als „Schmerzensmutter“ dargestellt. Sie erinnert an das Leid, das sie selbst erfahren musste, und sie ermutigt Glaubende, mit ihrem eigenen Leid zu ihr zu kommen. Maria birgt Raum für Schmerz.
Maria, die Freundin
Christiane Koch ist Maria auf eine für sie selbst überraschende Weise nahegekommen: im Beten, das im schweigenden Dasein die Gottesbegegnung sucht. Maria schien ihr nun eine Freundin, wie Christiane Koch schreibt: „Es entging mir nicht, dass von ihr eine Wärme ausging, die es vermochte, inneres Eis zum Schmelzen zu bringen und tief in mir Verwurzeltes zu beleben.“
Christiane M. Koch: Maria. Erdentochter, Himmelsfrau. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2012.
Impulse
Suchen Sie sich zu einem ruhigen Zeitpunkt einen Ort in Ihrem Haus oder Ihrer Wohnung, an dem Sie sich wohl fühlen. Stellen Sie sich vor, Sie laden Maria zu sich ein. Finden Sie einen Termin für ihren Besuch? Welchen Zeitpunkt würden Sie wählen und welche Vorbereitungen würden Sie treffen? Angenommen, sie kommt: Wo führen Sie sie hin? Was erzählen Sie ihr? Was antworten Sie auf die Frage: Wie geht es dir?
Falls Sie ein Marienbild zur Hand haben, legen Sie es vor sich hin. Verändert sich etwas in Ihrer Umgebung, wenn Maria bei Ihnen zu Gast ist? Und wenn sie wieder aufbricht – welche Atmosphäre hinterlässt sie? Maria hat allerdings auch Zeit zu bleiben ...
Aus dem Buch Christiane M. Koch: Maria. Erdentochter, Himmelsfrau. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2012.