Sie wissen über die Gräueltaten der Nazis besser Bescheid als die meisten Gleichaltrigen. Ansfeldner Schüler/innen haben sich in diesem Schuljahr intensiv mit dem totalitären Regime auseinandergesetzt.
Ausgabe: 22/2017
30.05.2017 - Paul Stütz
Das Vertrauen in die Demokratie schwindet und der Ruf nach einem „starken Mann“ bzw. „starken Führer“ für Österreich wird immer lauter. Laut aktueller Erhebung von Sora-Institut und dem Verein zur wissenschaftlichen Aufarbeitung von Zeitgeschichte bekennen sich nur 78 Prozent der Befragten zur Demokratie als beste Regierungsform.
Diesem Liebäugeln mit einer diktatorischen Verfassung ist am besten mit den historischen Tatsachen beizukommen: Was bedeutet ein totalitäres Regime wirklich? Wie so ein Demokratieunterricht an einer Schule aussehen kann, macht die Neue Mittelschule (NMS) Ansfelden vor. Die Schüler/innen der 4. Klassen haben das KZ Mauthausen und die ehemalige Tötungsanstalt Hartheim besucht. Historischer Fakt ist, dass der Heizer des Krematoriums aus Freindorf bei Ansfelden kam. Das Schicksal der Zwangsarbeiter im Linzer Stahlwerk wurde den Jugendlichen im Zeitgeschichtemuseum der voestalpine vor Augen geführt. „Wer mit 16 wählen darf, sollte die Zusammenhänge und Folgen der Geschichte kennen. Uns ist viel zu wenig bewusst, wie groß das Glück ist, in einer friedlichen Demokratie zu leben. Jede schlechte Demokratie ist tausend Mal besser als ein angeblich gerechter Krieg“, sagt Hermine Hauer, die gemeinsam mit ihren Kolleginnen Inge Fellinger und Gerti Bachl das Projekt leitete.
Zeitzeuginnen an der Schule
Die engagierten Lehrerinnen setzten mit der Einladung von zwei Zeitzeuginnen an die NMS Ansfelden noch eins drauf. Anna Hackl (86) aus Schwertberg berichtete über die „Mühlviertler Hasenjagd“ im Jahr 1945. Als 13-jähriges Mädchen half Anna Hackl ihrer Mutter, zwei aus dem KZ Mauthausen geflohene Häftlinge vor dem Tode zu schützen. Sehr viele Leute in der Umgebung hatten sich an der Hetzjagd auf die etwa 500 aus dem KZ entflohenen Menschen beteiligt. Wie es den slowenisch sprechenden Kärntnern früher erging, wusste Katja Sturm-Schnabl zu erzählen. Sie galt als Volksfeindin und wurde so wie 1000 Schicksalsgenoss/innen in verschiedene Lager deportiert. Bis heute führt der Minderheiten-Schutz in Österreich zu Kontroversen. Die Haltung ist immer noch verbreitet, dass eine fremde Muttersprache ein Makel ist. Zu beobachten etwa bei der Diskussion um die Deutschpflicht in den Pausen.
Unterrichtsthema Gleichberechtigung
Hermine Hauer, die Religion und Deutsch unterrichtet, sieht das Projekt auch als Teil der Werteerziehung. In ihrem Unterricht umfasst das noch mehr als die zeitgeschichtlichen Themen. Besonders die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist ihr ein Anliegen. „Ich beobachte, dass es viele junge Mädchen gibt, deren Lebensplanung ist, einmal nur bei den Kindern zu Hause zu sein und sich ganz auf den Ehemann zu verlassen.“ Gegen dieses konservative Weltbild, das sich nicht nur auf Migrantinnen beschränkt, tritt sie entschieden auf. Den Schülerinnen redet sie ins Gewissen, so Hauer: „Männer sind keine Lebensversicherung.“