500 Jahre nach der Reformation wird in der Ökumene über kirchliche Ämter diskutiert. Die evangelische Kirche kennt zum Beispiel kein Weihesakrament. Ein Blick in die kirchliche Frühzeit zeigt: Die Gestalt der sakramentalen Weiheämter der katholischen Kirche wird in den ersten Jahrhunderten grundgelegt. Aus der Serie "Die kirchlichen Ämter der ersten Jahrhunderte", Teil 1 von 5.
Ausgabe: 20/2017
16.05.2017 - Johannes Hofmann
Nach dem Zeugnis der neutestamentlichen Schriften fordert Jesus einerseits von seinen Aposteln die in Liebe geübte Dienstbereitschaft für alle. Als auferstandener Herr bevollmächtigt und sendet er sie andererseits zur Verkündigung der Frohen Botschaft und zur damit verbundenen Gründung von Gemeinden. Diese sind durch ihn an das Zeugnis der Apostel gebunden. Ansonsten ist die Entfaltung der kirchlichen Ämter und Dienste offen für eine geschichtliche Entwicklung. Diese macht sich schon in den ältesten christlichen Gemeinden bemerkbar. Betrachten wir zunächst zwei Modelle: jenes in Jerusalem und jenes in Antiochien.
Beispiel Jerusalem
Die Autoritäten der judenchristlichen Gemeinde von Jerusalem sind die Zwölf, die der auferstandene Herr als Apostel, das bedeutet als seine Abgesandten, bevollmächtigt und sendet, damit sie den Juden seine Frohe Botschaft verkünden. Das Zwölfergremium zerstreut sich, wohl aus Gründen der Mission.Paulus trifft daher in Jerusalem um 35 nach Christus nur Petrus und den Herrenbruder Jakobus und um 48 nur das Dreiergremium Petrus, Johannes und Jakobus. Um das Jahr 56 berät er sich nur noch mit Jakobus dem Herrenbruder und den Presbytern, das heißt mit einem apostolischen Gemeindeleiter und einer Gruppe von Ältesten, die Jakobus nach jüdischem Vorbild mit richterlichen und leitenden Funktionen unterstützen. Mitte des ersten Jahrhunderts nimmt man in Jerusalem also eine zweistufige Leitungsstruktur aus Gemeindeleiter und Presbytern (Ältesten) wahr.
Beispiel Antiochien
Paulus und die anderen Autoritäten Antiochiens, der ersten heidenchristlichen Gemeinde, sind laut der Apostelgeschichte Propheten und Lehrer, die den Gemeindegottesdienst leiten (Apg 13,1). Ihr diesbezüglicher Einsatz wird als öffentlicher Dienst für das Volk (leitourgia) charakterisiert und damit als wahrhaft „priesterlicher Dienst“, wie auch die Missionsarbeit von Barnabas und Paulus mit dem priesterlichen Tempeldienst des Judentums verglichen wird. Auch Paulus versteht sich um das Jahr 56 als „priesterlichen Diener“ (leitourgos) Christi Jesu für die Heiden (Röm 15,16). Ferner sendet der Heilige Geist Barnabas und Paulus durch die genannten Autoritäten als seine bevollmächtigten Abgesandten aus, weshalb sie im Rahmen ihrer ersten Missionsreise als Apostel, also als Gesandte, bezeichnet werden (Apg 14,4.14). Folglich weiß sich Paulus durch Jesus Christus und Gott selbst zum Apostel berufen (Gal 1,1). Wie in Korinth machen sich damit an der Spitze der Gemeinde von Antiochien Apostel, Propheten und Lehrer (1 Kor 12,28) bemerkbar. Sie sind in die Gemeinde eingebunden und bilden zusammen mit den von Gott mit weiteren Gaben beschenkten Gläubigen den einen Leib Christi. Ihre weiteren Mitarbeiter finden sich in den Gemeinden des Paulus.
Weitere Mitarbeiter
Um das Jahr 60 grüßt der Apostel seine heidenchristliche Gemeinde in Philippi und seine dortigen Mitarbeiter, die Episkopen und Diakone im Philipperbrief (1,1). Diese üben wichtige Gemeindedienste, also wohl fürsorgliche, verwaltende und leitende Aufgaben aus. Ihre „Amtsbezeichnungen“ entstammen der Umwelt: unter einem „episkopos“ versteht man einen Kommunalbeamten oder aufsichtführenden Vereinsfunktionär, während ein „diakonos“ eine freie Person (also kein Sklave) ist, die zu einer Person in einem Dienstverhältnis steht. Vermutlich werden die Episkopen und Diakone von der Gemeinde gewählt und von Paulus anerkannt. Mitte des ersten Jahrhunderts nimmt man also in Philippi erste Ansätze zum dreigestuften kirchlichen Dienstamt wahr: Der Apostel Paulus ist Leiter der Gemeinde, in seiner Abwesenheit oder als seine Helfer dienen ihr Episkopen und Diakone. «