Altbischof Maximilian Aichern wurde für sein Lebenswerk mit dem Solidaritätspreis der KirchenZeitung ausgezeichnet. Die Begründung der Jury: Er hat während seiner Amtszeit das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ stets wachgehalten und tut es weiterhin mit großem persönlichem Einsatz.
Ausgabe: 2017/20
16.05.2017 - Josef Wallner
Herr Bischof, worin sehen Sie heute das drängendste soziale Problem?Bischof Maximilian Aichern: Es gibt, wie ich in den letzten 35 bis 40 Jahren in kirchlichen Aufgaben beobachten konnte, immer eine Reihe neuer und dringender Fragen, aber aktuell scheint mir die Generationengerechtigkeit ganz wichtig zu sein. Wir müssen darüber nachdenken, wie künftige Generationen gut weiterleben und an unserer Welt weiterbauen können. Da gehören die Umweltfragen dazu, die Papst Franziskus nahezu an die erste Stelle stellt, natürlich auch die Fragen der Erwerbsarbeit, der Flüchtlinge und Migranten, die integriert werden müssen. Alles Fragen von allerhöchster Bedeutung. Und es gibt auch viele Arme in unserem Land, wo Verbesserungen nötig sind.
Ihr Name ist untrennbar mit der „Allianz für den freien Sonntag“ verbunden. Wie steht es um den freien Sonntag? Bischof Aichern: Wir haben in Oberösterreich vor rund 20 Jahren angefangen, das Thema anzusprechen, bald hat sich die Allianz auf ganz Österreich ausgedehnt. Bei Gesprächen in der EU hat man uns dann gesagt, dass auf EU-Ebene der freie Sonntag nie zu einem gemeinsamen Thema werden kann, weil die Mitgliedsländer kulturell zu unterschiedlich sind. Aber wie ich zuletzt gehört habe, schwenken doch manche ein und spüren die Notwendigkeit eines Ruhetages. Der arbeitsfreie Sonntag ist ja das älteste Sozialgesetz der Welt.
Da ist der Allianz ein großer Schritt in der Bewusstseinsbildung gelungen …Bischof Aichern: Da bin ich sehr froh. Aber der Sonntag wird immer angefochten sein. Um ihn wird man immer kämpfen müssen.
Wenn es heute um die Neuausrichtung der Pastoral geht, hört man häufig, dass sich die Kirche auf ihr Kerngeschäft, die Liturgie und die Verkündigung, konzentrieren und das Soziale zurückfahren soll. Was halten Sie davon?Bischof Aichern: Dem kann ich überhaupt nichts abgewinnen. Das soziale Element, die Sorge für die Menschen, dass sie halbwegs gut leben können, wird doch auch von Jesus angesprochen. Die Bibel ist eine religiöse Botschaft mit sehr vielen sozialen Inhalten. Soziales ist vom Religiösen nicht zu trennen, weil beides zum Leben des Menschen gehört.
Woher nehmen Sie die Kraft für Ihren Einsatz? Bischof Aichern: Mich persönlich hat schon als Schüler im Gymnasium, als Lehrling, als Theologiestudent, als Benediktiner und Priester das soziale Lebenselement interessiert, das für die Menschen ja von großer Bedeutung ist. Und die Gespräche von Mensch zu Mensch in der Seelsorge, in kultur- und sozialpolitischen Bereichen haben mich gelehrt, die jeweiligen Gegenwartssituationen zu beachten und von da aus im Sinn der christlichen Soziallehre für die Menschen zu wirken. Das gehört einfach zu meinem Leben dazu. Und das mache ich gerne. Sehr dankbar bin ich für die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der Katholischen Sozialakademie in Wien. In letzter Zeit bin ich gar nicht so selten eingeladen, um über das soziale Wirken von Papst Franziskus zu sprechen.
Was ist Papst Franziskus im Sozialen wichtig?Bischof Aichern: Der Mensch ist ihm wichtig.
Wenn Sie an die Zukunft denken, sind Sie optimistisch oder pessimistisch? Bischof Aichern: Ich bin überzeugt, dass wir uns bei einem guten Dialog aller gesellschaftlichen Kräfte zugunsten eines einvernehmlichen Lebens für alle vor der Zukunft nicht fürchten müssen. Wir sollen auch immer wieder Jesus bitten, dass er uns vom Vater her den Heiligen Geist schenkt und die Völker und Nationen in Gerechtigkeit und Frieden, in Liebe und Einheit zusammenführt. «