Im Unterschied zu Europa sind Kreuze im Orient keine Leidenssymbole, sondern Zeichen der Auferstehung. Hans Hollerweger hat in den vergangenen 25 Jahren solche Auferstehungs-Kreuze fotografiert. Am 10. Mai 2017 präsentiert er sein Buch "Baum des Lebens" im Priesterseminar Linz.
Ausgabe: 2017/18
02.05.2017 - Josef Wallner
Der Linzer Liturgiewissenschafter und Gründer der Initiative Christlicher Orient Hans Hollerweger hat für den Bildband die schönsten, vielfach unbekannten und manche inzwischen von fanatischen Muslimen zerstörten Kreuze ausgewählt.
Spiritualität der Auferstehung
Die Spiritualität der Kirche des Ostens ist in der Auferstehung verankert, nicht in der Kreuzigung. Sie ist eine Spiritualität der Gnade und der Hoffnung“, sagt Louis Raphael Sako. Der Patriarch der mit Rom vereinten Chaldäischen Kirche mit Sitz in Bagdad verschließt nicht die Augen vor der Realität in Geschichte und Gegenwart: Seine Kirche war eine Kirche der Martyrer und ist es bis heute, nicht nur im Irak, besonders in Syrien; in allen Ländern der Region sind die Christen unter Druck und kämpfen vielfach ums Überleben. Und dennoch betont Patriarch Sako, der für seinen Freund Prof. Hans Hollerweger ein Geleitwort für den Bildband verfasst hat: „Die Auferstehung ist der Angelpunkt unseres Glaubens. Das leere Kreuz ohne Korpus entspricht in unserer Tradition dem leeren Grab und heißt das glorreiche Kreuz.“
Von der Südosttürkei bis zur Grabeskirche in Jerusalem, vom Libanon bis in die irakische Stadt Kirkuk hat Hollerweger eine Vielzahl von Kreuzesdarstellungen festgehalten, die der syrischen Art – also ohne Korpus – angehören. Im syrischen Orient hat sich ab dem vierten Jahrhundert die bis heute bestehende Tradition entwickelt, das Kreuz ohne den Leib Jesu zu zeigen. Im Kloster Mor Gabriel (Südosttürkei) ist Hollerweger auf sogenannte „Gabelkreuze“ gestoßen (oben links). Sie gelten als die ältesten Darstellungen von Kreuzen. Die Enden des Längs- und Querbalkens spalten sich auf und sind nach außen geöffnet. „Sie möchten gleichsam die Welt aus allen Richtungen aufnehmen“, erklärt Hollerweger. Ein weniger gut erhaltenes Gabelkreuz als das hier gezeigte befindet sich in der Marienkirche von Mor Gabriel und könnte durchaus aus der Zeit ihrer Erbauung um das Jahr 420 stammen.
Aus theologischen Gründen beeindruckt Prof. Hollerweger das Kreuz in der Apsis der Marienkirche in Hah (oben Mitte). Es ist die einzige ihm bekannte Darstellung im Orient, wo das Kreuz mit dem Heiligen Geist in Zusammenhang gesetzt wird. „Über dem Kreuz schwebt der Heilige Geist in Gestalt einer Taube und haucht dem Kreuz Leben ein. So wird es zum Baum des Lebens.“ Heute ist Hah ein Dorf, aber im christlichen Altertum war es der erste Bischofssitz des Tur Abdin (Südosttürkei). Die Marienkirche gibt als einziges Gebäude noch Zeugnis von der einstigen Bedeutung des Ortes.
Üppig wachsende Kreuze
Das einfache Gabelkreuz bleibt die Grundform, aber durch Verzierungen entwickelt es sich weiter zur Form eines Baumes. Im irakischen Kloster Mar Bechnam fand der Liturgieprofessor Hollerweger den Höhepunkt dieser Entfaltung des Kreuzes zum Baum des Lebens. Die Kreuze sind voller Früchte, oft voll von Weintrauben und Blüten, wie zum Beispiel Tulpen: „Man staunt über die Vielfalt der Motive.“ Das oben abgebildete Kreuz ist Teil einer Pforte, die von 21 Feldern mit unterschiedlichen Reliefs, davon eine Reihe von Kreuzen, gerahmt wird. In die Freude über das einzigartige Portal mischt sich aber die Trauer, dass es diese kunstvollen Arbeiten nicht mehr gibt. Prof. Hollerweger erklärt die Lage des Klosters. Es befindet sich 25 Kilometer östlich der Stadt Mossul, die seit zwei Jahren wie auch das Umland von der Terrormiliz „IS – Islamischer Staat“ besetzt war. Wo einst die Grabanlage der heiligen Bechnam und Sarah stand, findet man heute nur mehr einen Schutthaufen. „Der IS hat das Heiligtum gesprengt. Im Internet kann man das sehen“, sagt Hollerweger.
Illustrationen in Büchern
Nicht nur auf Bauwerken, auch in kostbaren Evangelienbüchern stößt man auf reich verzierte Kreuze. Das Evangeliar von Azakh datiert in das Jahr 1861 und gilt als bemerkenswertes Zeugnis seiner Zeit. In kräftigen Farben bringt die gezeigte Abbildung (Seite 8, rechts) die Botschaft des Kreuzes zum Leuchten. «
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Der Bildband „Baum des Lebens“
Prof. Hans Hollerweger, Liturgiewissenschafter und Gründer der ICO (Inititative Christlicher Orient), führt seine Leser/innen durch die Länder des Orients und zeigt ihnen Kreuze, die ihm bei seinen Besuchen in Kirchen und Klöstern sowie beim Durchblättern von alten liturgischen Büchern angesprochen haben. Keine einzige Aufnahme wurde ursprünglich gemacht, um veröffentlicht zu werden. Auf 123 Seiten präsentiert Hollerweger seine Entdeckungen. Besonders beeindruckend ist die Fotodokumentation der Feier der Kreuzigung und des Begräbnisses Jesu, wie sie im Kloster Mor Gabriel (Südosttürkei) begangen wird – ein einzigartiges Zeitdokument.
Prof. Hollerweger präsentiert sein Buch „Baum des Lebens. Darstellung und Verehrung des Kreuzes im Orient“ am Mittwoch, 10. Mai 2017, um 19.30 Uhr im Priesterseminar Linz. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
Für KirchenZeitungs-Leser/innen
Wer bis zum 10. Mai 2017 Prof. Hollerwegers Buch „Baum des Lebens“ bestellt, bekommt sein Exemplar (Preis: 18 Euro) portofrei zugesandt.
Bestellungen an: ICO – Initiative Christlicher Orient, Kennwort: „KirchenZeitung“, Friedensplatz 2, 4020 Linz, Tel. 0732/77 31 48, E-Mail: ico@a1.net