Wort zum Sonntag
Pastoral, also seelsorglich Menschen mit dem Evangelium in Berührung bringen auf qualitätvolle Weise – was liegt Ihnen dabei besonders am Herzen?
Anna Findl-Ludescher: Die Qualität von Liturgie und Predigt. Gerade bei Lebensereignissen wie Hochzeiten oder Begräbnissen kommen viele Leute zusammen und wenn Priester und Pastoralassistentinnen und -assistenten bestrebt sind, gute Worte zu finden und gehaltvolle Gottesdienste zu gestalten, die berühren, ist die Vertiefung des Glaubens in der Gemeinde stärker möglich und es können dadurch neue Perspektiven eröffnet werden. Wichtig ist zudem, sich nicht nur auf den Bereich der Pfarre zu konzentrieren, sondern auch auf andere Kontexte, wo man sich als Teil der Kirche einbringen kann als ein Player im gesellschaftlichen Netzwerk.
Welche Überlegungen haben dazu geführt, das Thema „Präsent sein. Wege zu qualitätvoller Pastoral“ für die Tagung zu wählen?
Findl-Ludescher: Hintergründe waren vor allem die Erfahrungen des weltweiten synodalen Prozesses, der von Papst Franziskus gestartet worden ist und der auch in unseren österreichischen Diözesen begonnen hat. Im Austausch mit Leuten haben wir beobachtet, dass die Versuche, auf synodale Weise ins Gespräch zu kommen, vor allem dort qualitätvoll geglückt sind, wo eine echte Präsenz im miteinander Reden und im aufeinander Hören da war.
Was heißt „präsent sein“ konkret?
Findl-Ludescher: Wenn jemand körperlich anwesend ist, bedeutet das nicht automatisch, dass er präsent ist, sondern es braucht eine echte, spürbare Gegenwart, ein Offensein für das, was einem im Gegenüber entgegenkommt.
Es gibt ja verschiedene Ebenen von Präsenz. Eine ist die der Qualität und der Kompetenzen der handelnden Personen, die in der Pastoral tätig sind. Je besser sie ausgebildet, geschult und begleitet werden, desto reifer und gefestigter sind sie und nur so können sie aufmerksam da sein für Menschen in bestimmten Situationen. Diese wahrhafte Präsenz ist auch bei einem Telefonat oder im digitalen Raum möglich. Wenn es nach einer Begegnung oder nach einem Gottesdienst heißt, „dieser Mensch war ganz präsent“, so ist das wohl das größte Kompliment.
Viele kehren wegen Finanz- und Missbrauchsskandalen der Kirche den Rücken. Wie kann Vertrauen wieder gebildet werden?
Findl-Ludescher: Es drückt mir aufs Herz, dass so viele Menschen die Kirche verlassen. Aber es wundert mich nicht und man kann da keine Vorwürfe machen. In der Kirche braucht es jetzt ein grundlegendes, Basis bildendes und ein Stück weit unaufgeregtes neues Aufbauen und wir sollten bereit sein, auch andere Wege zuzulassen.
Manches muss abgestreift werden – wie die äußeren verwelkten Blütenblätter einer Pfingstrose. Man braucht nicht warten, bis sie abfallen, man kann sie auch aktiv ablösen und schauen, was bleibt im lebendigen, kraftvollen Kern übrig, worauf können wir uns in der Kirche noch verständigen. Ich glaube nicht, dass wir uns komplett neu erfinden müssen. Aber es werden neue Formen entstehen.
Was könnte abgestreift werden?
Findl-Ludescher: Alltagsfremde Sprachspiele und Rituale oder gewohnte Gottesdiensthäufigkeiten. Wegfallen könnte auch, dass jede Gemeinde eine Pfarre ist. Wenn die Kirchenmitgliedszahlen unter ein gewisses Niveau sinken, dann stimmt der Anspruch nicht mehr, überall flächendeckend Pfarren haben zu müssen.
Woran denken Sie, wenn Sie sagen, ein Basis bildendes Aufbauen in der Kirche ist nötig?
Findl-Ludescher: Die Ideen von Großereignissen wie Pfingstevents machen Sinn. Persönlich bin ich eher für kleinere vertrauensbildende Maßnahmen. Ein Weg wäre, dass sich Leute miteinander im Privaten und in der Gesellschaft engagieren und auch zusammen die Bibel lesen oder Liturgien feiern und so das Leben in der christlichen Grundüberzeugung teilen. Das strahlt aus.
Es braucht Leute, die inspiriert sind und Lust haben, andere zu inspirieren und sie in ihrem Glauben wieder so zu stärken, dass sie mutiger werden, über ihn zu reden. Und das muss nicht unbedingt über die Pfarren und über die offizielle Kirche gehen.
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