Wort zum Sonntag
Die Wahl einer Frau zu einer Superintendentin oder Bischöfin war vor 30 Jahren auch für die evangelische Kirche noch ziemliches Neuland. Tatsächlich hatte sich die gebürtige Linzerin Gertraud Knoll nur wenige Chancen ausgerechnet, dass sie als junge Mutter „neue Diözesanchefin“ wird.
Man habe ihr beim Kandidatenhearing deutlich zu verstehen gegeben: „Was will denn diese junge Mutter mit ihren zwei kleinen Kindern?! Wie soll sie neben ihrer Familie dieses Amt bewältigen? (...) Genau diese Frage wurde mir dann auch (...) vom Wahlgremium gestellt. Mein Wunsch, dies zumindest auch jenen der beiden anderen Kandidaten zu fragen, der Vater eines Vorschulkindes ist, wurde einfach abgeblockt“, erzählte Knoll im Interview.
Das habe sie sehr betroffen gemacht, dass die Verantwortung für Kinder und die Familie offenbar nur Frauensache sein solle. Wenn die evangelische Kirche glaubwürdig sein wolle, könne es nicht sein, dass Frauen während ihrer Familienphase für höhere Ämter nicht geeignet seien, Männer aber schon. Auf die Frage, wie es ihr bisher als evangelische Pfarrerin ergangen sei, antworte Gertraud Knoll: (...) Die Mär vom konservativen Burgenland erwies sich in meinem Fall als falsch. Wenn man auf die Menschen zugeht, hat man auch eine Chance.“
Ein größeres Problem habe sie dagegen schon mit sich selbst gehabt. Sie hatte das Gefühl, als Frau alles 150-prozentig machen zu müssen. Das habe sie anfangs überfordert.
Vier Jahre nach dem Interview sollte die evangelische Superintendentin als parteiunabhängige Kandidatin bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl 1998 kandidieren. Sie erreichte mit über einer halben Million Stimmen bzw. 13,6 Prozent dabei den zweiten Platz.
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