Es kommt auf dich an, aber es hängt nicht von dir ab
Serie „Widerstand und Versöhnung“
Ausgabe: 1998/35, Widerstand und versöhnung (7)
25.08.1998 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
Norbert, kath. Priester, Deutschland, spricht über seine eigene Bekehrung und Erfahrungen im weltweiten Kontext.Ich arbeite zur Zeit in einer Pfarrei und bei Misereor. Deren Aufgabe ist, Selbsthilfeorganisationen in der „3. Welt“ zu unterstützen, die sich um Versöhnung und Gerechtigkeit in und zwischen den Gesellschaften bemühen.Ich habe mein kirchliches Amt angetreten mit dem Gedanken: „Der Herr, an den ich glaube, geht niemals auf die Jagd. Er steht vielmehr auf der Seite des Wildes, er ist das Wild.“ 1970 habe ich diese Worte nur auf den Antisemitismus bezogen, an dem die Schuld der Kirche riesig ist. Später ist mir aufgegangen, daß die heutige Opfergeschichte der „3. Welt“ auch dazu gehört. Ich war unbewußt auf der Seite der Täter, und so wollte ich aktiv für Versöhnung arbeiten. Aber erst mußte ich in mir die Unversöhntheit, sogar die Rachegefühle für die Herrschaftsgeschichte der christlichen Kirche aufarbeiten. Ich habe gelernt, mit den eigenen Schatten versöhnt zu leben. Nach dieser inneren Arbeit konnte ich die Botschaft des Evangeliums von der kirchlichen Machtgeschichte trennen. Seitdem empfinde ich es alsAufgabe, die persönliche Befreiungsgeschichte zu leben. Dazu gehören aber auch politische und ökonomische Veränderungen – daß die Wahrheit, die dem Leben in Fülle für alle Menschen dient, offenbar wird.Ich habe sechs Jahre bei den Ketschua in Peru gelebt und bin durch sie bekehrt worden. Da kommt Juan, 35 Jahre alt, zu mir, der fünf Jahre zuvor lesen gelernt hat, um mir zu begegnen. Er erzählt, was er dachte, als er die Geschichte von Evas Schöpfung gelesen hatte: „Wenn ich meine Frau schlage, dann schlage ich auch mich. Und wenn ich sie und mich schlage, dann schlage ich auch Gott, weil wir beide ein Gleichnis Gottes sind.“ Es war eine persönliche Befreiungserfahrung – er wird auf Festen niemals viel trinken dürfen, damit er nicht gewaltsam wird.Ich habe von ihnen die Verbundenheit aller Geschöpfe gelernt. Wenn ich zulasse, daß einem meiner Geschwister – egal wo auf der Welt – etwas angetan wird, wird auch meiner Seele etwas angetan. Sie sind hartnäckig, wollen keine Erfolgsgeschichte, aber machen die kleinen Beiträge, auf die es im Moment ankommt. „Es kommt auf Dich an, aber es hängt nicht von Dir ab, ob Gottes Reich zustande kommt2, so Marin Buber.