„Das Leben des Jesus“: Wie hat dieses Buch mit Cartoons von Gerhard Haderer Menschen in Österreich aufgeregt. Damals, 2002. Haderers Werk ist Teil der Ausstellung „Skandal Normal?“ in Linz. Dem Verhältnis von Kunst und Religion widmete sich Bischofsvikar Johann Hintermaier bei einer Führung durch die Ausstellung.
Ausgabe: 2017/07
14.02.2017 - Elisabeth Leitner
Es gibt keine Skandale, die allgemeingültig sind. Was uns heute aufregt, kann uns morgen wieder gleichgültig sein. Auch Skandale haben ihren ‚Sitz im Leben‘“, mit diesen Worten eröffnet Johann Hintermaier eine Führung im OK (Offenen Kulturhaus). Nach dem „Sitz im Leben“ fragen Bibelwissenschaftler gerne, wenn sie eine Bibelstelle, etwa im Alten Testament, einordnen sollen: In welcher Zeit ist ein Text entstanden, wie haben die Menschen damals gelebt und ihren Alltag bewältigt? Dr. Johann Hintermaier ist Bischofsvikar für Erwachsenenbildung und pastorale Fortbildung und war in dieser Funktion eingeladen, als „special guest“ durch die Ausstellung „Skandal Normal?“ zu führen. Die Schau lenkt den Blick auf die großen Skandale in der Kunst, die in den letzten 50, 60 Jahren die Kunstlandschaft in Österreich prägten, und zeigt 39 Werke.
Kunst und Religion
Kunst und Religion hatten durch die Jahrhunderte hindurch ein enges Verhältnis: bis ins 17./18. Jahrhundert waren etwa Kirchenvertreter große Mäzene. Sie vergaben Aufträge nach ihren Vorstellungen und ließen Kirchen und Klöster bauen. Für die Innenausstattungen wurden meistens die besten Künstlers ihres Fachs geholt. In der Neuzeit und in der Zeit der Aufklärung bekam das Verhältnis Risse, die Kunst begann sich zu emanzipieren, die Kirche trat als Auftraggeberin in den Hintergrund. Religiöse Inhalte wurden dennoch thematisiert – in einem Kontext, der nicht vordergründig der Erbauung des Glaubens diente. Kirchliche Würdenträger oder religiöse Symbole wurden in Frage gestellt, kritisiert oder auch der Lächerlichkeit preisgegeben. Der schmale Grat zwischen der Freiheit der Kunst und der Herabwürdigung religiöser Symbole war beschritten. Die Aufregung um das Buch „Das Leben des Jesus“ ist nur ein Beispiel dafür. Hermann Nitsch, Martin Kippenberger, Valie Export sind Künstler, die für prächtige Kunstskandale gesorgt haben – auch sie sind in der Ausstellung vertreten.
Unterschiedliche Schmerzgrenzen
„Religiösität prägt unsere Gesellschaft. Auf die Frage: Kann ich Gott beleidigen?, würde ich so antworten: Gott ist zu groß, als dass wir ihn beleidigen könnten. Er würde eine Beleidigung mit Barmherzigkeit beantworten“, meint Hintermaier. Er skizziert während der Führung einen Gott, der mitleidet, mitfühlt. Wer Gott beleidigt, trifft immer den Menschen oder die Natur. Ist aber alles zulässig? – „Man muss etwas aushalten, aber nicht alles“, meint dazu Hintermaier. Künstler/innen machen etwas sichtbar, das in der Gesellschaft brodelt, „... und manchmal setzen sie noch eins drauf“, beschreibt Manuela Gruber vom OK die Zugangsweise der Künstler/innen. Es sei wie ein Eisberg: Die Künstler/innen zeigen nur die Spitze, rütteln damit auf, provozieren. „Wie weit darf die Provokation gehen? Die Schmerzgrenzen sind unterschiedlich!“, weiß Gruber.
Umgang mit Schwachen
Das zeigt sich auch bei dieser Ausstellung. Die Installation „Zuerst die Füße“ von Martin Kippenberger erregt die Gemüter. Damals wie heute. Ein blauer Frosch mit Hut und Bierkrug ist ans Kreuz genagelt. Das schreit nach einem Skandal. Wer die Hintergründe dieser Arbeit aus dem Jahr 1991 kennt, mag differenzierter denken. Nicht Christus ist hier dargestellt, sondern der Künstler, schwer vom Alkoholentzug gezeichnet, hat hier ein Selbstporträt angefertigt. „Kennen Sie den Ausspruch: ‚Zmahd wie ein Frosch‘ – so fühlte sich der Künstler und das hat er hier dargestellt“, erklärt Hintermaier. „So betrachtet ist das herzzerreißend. Wenn man bedenkt, dass Jesus auf der Seite der Schwachen gestanden ist, ... jemand; der so darniederliegt, den kann man leicht kreuzigen“, stellt Hintermaier Verbindungen zur Gegenwart her und fragt: „Wie gehen wir mit Schwachen in unserer Gesellschaft um?“
Der zweite Blick
Dass der Künstler auf die christliche Bildsprache zurückgreift und es den zweiten Blick braucht, um zu verstehen, was der Künstler hier macht, bestätigt sich beim Zuhören. „Kunst ist eine Form, genauer hinzusehen“, sagt auch Prof. DDr. Monika Leisch-Kiesl von der Katholischen Privatuniversität: „In der momentanen wirtschaftlich, politisch, religiös höchst angespannten Situation allgemeiner Überforderung ruft alles nach raschen Lösungen und eindeutigen Antworten. Die sind nicht zu haben“, so Leisch-Kiesl. Was aber kann Kunst in diesem Zusammenhang leisten? „Kunst kann dabei helfen, die Nöte und Widersprüche – ohne den sensationslüsternen Blick – anzuschauen. Sie kann damit eine Basis für einen differenzierenden Dialog bilden.“
Einladung zur KiZ-Führung
Die Kunst braucht den Dialog und die Zuschauer/innen, die Fragen stellen, nachforschen, in die Tiefe gehen. – Dazu lädt die KirchenZeitung am Mi., 15. März 2017, um 18 Uhr KiZ-Leser/innen ein: Bischofsvikar Johann Hintermaier wird mit Manuela Gruber vom OK durch die Ausstellung führen. «
KiZ-Exklusiv: 20 Personen können an der Führung durch die Ausstellung „Skandal Normal?“ im OK teilnehmen. Führungskosten übernimmt das Haus, Eintritt zahlt jede/r selbst bei der Kassa, nur mit Anmeldung unter KiZ-Tel. 0732/76 10-39 44, bis 10. März 2017, Kennwort: Kunst.
Diskussion „Kann man Gott beleidigen?“: mit Monika Leisch-Kiesl (KU, Prof. für Kunstwissenschaft & Ästhetik) und Carla Amina Baghajati (Islam. Glaubensgemeinschaft), Gottfried Gusenbauer (Karikaturenmuseum Krems), Moderation: Christine Haiden, am Mo., 13. März 2017, 19 Uhr, OK.