Eines der Themen, die während meines vierjährigen Einsatzes in einem Sozialzentrum für Kinder und Jugendliche in Bulgarien immer wieder auftauchten, war das Thema Anerkennung. Erlebnisse eines Jesuiten in Bulgarien.
Ausgabe: 2017/46
14.11.2017 - P. Markus Inama SJ
Die Familien aus den illegalen Siedlungen am Rand von Sofia suchten nach rechtlicher Anerkennung. Die Jugendlichen, die in staatlichen Heimen aufgewachsen waren, sehnten sich nach menschlicher Wärme und Rückhalt. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchten, abgesehen von einem fairen Gehalt, unsere Wertschätzung, weil die Arbeit mit den Jugendlichen sehr aufreibend war. Und manchmal fragte ich mich: Und wer schaut auf mich?
Prioritäten
Beim Lesen der Bibel fielen mir jene Stellen auf, wo Jesus denen Anerkennung schenkte, die mit ihm unterwegs waren, indem er ihnen zuhörte (Lk 10,17) oder ihre Fähigkeiten hervorhob (Mt 16,17). Die meiner Meinung nach schönsten Zeichen der Anerkennung waren das festliche Abschiedsessen, bei dem er seinen Freunden die Füße wusch (Joh 13,5), und das Frühstück, das er ihnen an einem See bereitete. Jesus hatte ein Gespür dafür, wie er anderen eine Freude bereiten und etwas Gutes für sie tun konnte. Jesus erfüllte aber keine vermessenen Wünsche nach Anerkennung, zum Beispiel als zwei Jünger darum baten, im Himmelreich rechts und links neben ihm sitzen zu dürfen. Er forderte sie vielmehr heraus, die richtigen Prioritäten zu setzen (Lk 10,40 und 17,7; Mk 10,37).
Großmut
Jesus war bereit, alles für seine Jünger und Jüngerinnen zu tun, aber er verlangte von ihnen ein hohes Maß an Hingabefähigkeit und Selbstlosigkeit. Dem heiligen Ignatius war dieser Punkt besonders wichtig. Von ihm ist folgendes Gebet überliefert: „Lehre mich die wahre Großmut. Lehre mich Dir dienen, wie Du es verdienst, geben, ohne zu zählen …“ In Bulgarien merkte ich, wie schwer es mir fiel, über meine bisherigen Maßstäbe hinaus für andere da zu sein. Nicht immer gelang es mir, nach einem langen, anstrengenden Tag für die „Notfälle“ am Abend da zu sein und dabei die Geduld nicht zu verlieren.
Vertrauen
Wenn es Schwierigkeiten gab, jammerte ich gerne. Mir fiel der Spruch einer Mutter ein, der ich auf einem früheren Auslandseinsatz begegnet war. Sie hatte ihrem erwachsenen Sohn, der Schwierigkeiten hatte, in einer Firma Fuß zu fassen, geraten: „You have to lift your game.“ – Er sollte sich also mehr bemühen. Aber wie gelingt das? Nur mit Anstrengung und Disziplin? Manchmal half es, wenn wir unsere ganzen Kräfte mobilisierten. Die Anstrengung allein führte aber nicht immer zum Ziel. Etwas krampfhaft erreichen zu wollen, kann auch kontraproduktiv sein. Ich begann, den Zugang von Ignatius mehr und mehr zu verstehen. Er hatte sein eigenes Bemühen und das Vertrauen ins Gebet miteinander verknüpft. Folgender Ausspruch wird ihm in diesem Zusammenhang zugeschrieben: „Bete, als ob alles von dir abhinge, arbeite, als ob alles von Gott abhinge.“
Glaubenserfahrungen bei den Straßenkindern Teil 2 von 3 P. Markus Inama SJ, ist Rektor des Jesuitenkollegs in Innsbruck und Vorstandsmitglied der CONCORDIA-Sozialprojekte