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„Burnout entwickelt sich meist schleichend und betrifft Menschen, die sich stark engagieren, hohe Ansprüche an sich selbst stellen und über längere Zeit überlastet sind“, sagt die Psychotherapeutin Carmen Rella aus Innsbruck. Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Burnout keine Krankheit, sondern wird als Syndrom klassifiziert, das in Zusammenhang mit beruflichem Stress steht. Die Ursachen sind vielfältig, hohe Arbeitsdichte oder mangelnde Anerkennung können ebenso ein Faktor sein wie etwa schlechtes Betriebsklima. Auch außerhalb des Berufskontexts komme es vor, sagt Rella: „Menschen, die Angehörige pflegen, sich stark in der Familie oder im Ehrenamt engagieren oder im Studium dauerhaft überfordert sind, können ebenfalls Symptome eines Burnouts entwickeln.“ Auch perfektionistische Persönlichkeitszüge oder das Bedürfnis, ständig „leisten“ zu müssen, können Burnout begünstigen. Deshalb sei es wichtig, nicht nur den Job, sondern das gesamte Lebensumfeld zu betrachten, wenn Burnout verstanden oder vermieden werden soll.
Das Problem sei, dass man Burnout oft nicht sofort erkenne, weil sich die Symptome schleichend entwickeln. Folgende Fragen, unter der Voraussetzung, dass sie ehrlich beantwortet werden, können bei der Bestimmung hilfreich sein: Fühle ich mich dauerhaft erschöpft, auch ohne körperliche Anstrengung? Funktioniere ich im Alltag nur noch, ohne Freude oder inneren Antrieb zu empfinden? Verändere ich mein Verhalten, um den Stress zu kompensieren – etwa indem ich mich zurückziehe oder gereizt reagiere? Beantworte der oder die Betroffene mehrere dieser Fragen mit „Ja“, könne das ein ernst zu nehmendes Warnsignal sein. „Es bedeutet nicht automatisch, dass man ein klinisches Burnout hat, aber es zeigt, dass man achtsam sein und im Zweifel professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen sollte“, sagt Rella.
Wie erwähnt ist Burnout nichts, was plötzlich passiert, sondern ein langsamer Prozess. „Am Anfang steht oft ein starker Einsatz – man arbeitet viel, ist ehrgeizig und möchte alles perfekt machen. Mit der Zeit führt die ständige Belastung zu Erschöpfung“, erklärt Carmen Rella. Erste Warnsignale wie Müdigkeit, Schlafprobleme oder Gereiztheit würden die Betroffenen oft ignorieren. In der nächsten Phase erfolge dann der emotionale Rückzug, die Menschen würden gleichgültiger und verlören die Freude an der Arbeit. „Es folgen Gefühle von Versagen, Sinnlosigkeit und starker innerer Leere.“ Die Leistungsfähigkeit sinke und selbst einfache Aufgaben würden zur Belastung. Was noch dazukommt, sind körperliche Beschwerden wie Kopf- oder Rückenschmerzen. „Im letzten Stadium fühlen sich viele völlig ausgebrannt – sowohl körperlich als auch seelisch. Ohne Hilfe kann es zu Depressionen oder anderen schweren Erkrankungen kommen“, warnt die Psychotherapeutin.
Die gute Nachricht: Burnout lässt sich behandeln. Wie, das hängt vom Schweregrad ab. Die Behandlung erfolgt in mehreren Schritten, wie Carmen Rella erklärt: „Wichtig ist zunächst, die Überlastung zu erkennen und anzunehmen. Eine erste Maßnahme ist oft eine Auszeit oder Reduktion der Belastung – etwa durch Krankschreibung oder Veränderungen im Alltag. Gespräche mit Hausärzt:innen, Psychotherapeut:innen oder spezialisierten Beratungsstellen helfen, die Ursachen zu verstehen.“ In der Psychotherapie würden Betroffene lernen, mit Stress anders umzugehen, ihre Erwartungen zu überprüfen und neue Wege der Selbstfürsorge zu entwickeln. Unterstützend wirken können Entspannungsverfahren wie Achtsamkeit, Meditation oder autogenes Training. Auch Bewegung, gesunde Ernährung und soziale Unterstützung würden eine zentrale Rolle spielen. „In schweren Fällen kann eine stationäre Behandlung nötig sein. Ziel ist immer, die eigene Balance zurückzugewinnen und Rückfällen vorzubeugen“, sagt Carmen Rella.
Es gibt verschiedene Präventionsmaßnahmen, die helfen können, Burnout zu verhindern. „Burnout vorzubeugen bedeutet, achtsam mit sich selbst umzugehen und rechtzeitig auf Warnzeichen zu reagieren“, sagt Rella. „Wer ständig über seine Kräfte hinaus arbeitet, ohne für Ausgleich zu sorgen, riskiert, dauerhaft erschöpft zu sein.“ Entscheidend sei eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Freizeit, mit regelmäßigen Pausen, ausreichend Schlaf und Erholung, sowie das Abschalten nach Feierabend. Eine große Rolle spielen soziale Kontakte: „Gespräche mit vertrauten Menschen helfen, Stress abzubauen und emotionale Unterstützung zu erhalten.“ Sinn und Wert in der eigenen Tätigkeit zu erkennen, schütze ebenso vor Burnout. Hingegen sei besonders gefährdet, wer sich ständig unter Druck setze, perfektionistisch denke oder sich selbst zu wenig Anerkennung gebe. „Bewegung, gesunde Ernährung und bewusste Entspannungsphasen fördern die seelische Stabilität. Frühzeitige Selbstreflexion oder professionelle Hilfe kann helfen, in schwierigen Phasen gegenzusteuern“, schließt die Psychotherapeutin.
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