Allerheiligen und Allerseelen: Nicht nur Gewohnheit und Tradition, sondern ein inneres Bedürfnis zieht unzählige Menschen zu den Gräbern ihrer verstorbenen Angehörigen.
Fegefeuer, Seele, Sündenstrafen und Allerseelen. Der Liturgiewissenschafter Hans Hollerweger rückt im Gespräch mit der KIZ Vorstellungen vom „Leben danach“ zurecht.
KIZ: Warum beten wir für Verstorbene?
Hollerweger: Es ist ein Urbedürfnis von Menschen, mit ihren Verstorbenen in Verbindung zu bleiben. Wir Christen beten für sie, weil sie zur Kirche gehören. Diese Überzeugung steht zwar quer zu dem, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können, sie ist aber die Mitte unseres Glaubens: Gott schenkt uns Gemeinschaft in diesem Leben und in neuer Weise über den Tod hinaus. So wie wir für Lebende beten, tun wir das auch für Verstorbene, weil der Tod uns nicht wirklich voneinander trennen kann.
KIZ: Bei Lebenden weiß man, worum man Gott bitten könnte: um Gesundheit, ... was soll man für Verstorbene erbitten?
Die Hochgebete der Messfeier können uns eine gute Anregung für das persönliche Gebet sein. So heißt es zum Beispiel im Dritten Hochgebet: „Nimm die verstorbenen Brüder und Schwestern auf in deine Herrlichkeit. Und mit ihnen lass auch uns, wie du verheißen hast, zu Tische sitzen in deinem Reich.“ Dieses Gebet sagt einerseits, was wir für die Verstorbenen erhoffen: dass sie bei Gott leben, wo es kein Leid und keine Not mehr gibt. Und das Hochgebet drückt auch unsere Verbindung mit den Toten aus. Beten am Grab soll also nicht nur eine Bitte für Tote sein, sondern auch ein Lobpreis auf Gott, bei dem unsere Verstorbenen sein dürfen und der auch einen Platz für uns bereit hält.
KIZ: In der Glaubensvorstellung vieler Christen ist das Gebet für Tote aber notwendig, um deren Seele aus dem Fegefeuer zu befreien.
Für uns Christen ist der Tod nicht das Ende, sondern der Übergang in ein neues Leben. „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen“ beten wir. Diese Wandlung wird – menschlich gesprochen – weh tun. Es wird die schmerzhafte Erkenntnis geben, dass vieles im Leben nicht richtig und schuldhaft war. Unsere Zuversicht besteht darin, dass Gottes Richten im Zurechtrichten unserer Lebens-Verkrümmungen besteht. Die Tradition nennt diesen Prozess Fegefeuer. Das ist ein unglücklicher Begriff. In der Bibel heißt es: Die Menschen werden gerettet wie durch Feuer. Auf das Wort „wie“ kommt es an. Nicht gerettet durch Feuer. Das Feuer bleibt ein Bild.
KIZ: Mit dem Fegefeuer verbindet sich auch die Vorstellung, dass Verstorbene eine bestimmte Zeit dort bleiben müssen und dass wir durch Gebete diese Zeit abkürzen können.
Wir Menschen können nur in der Kategorie der Zeit denken. Wenn wir bei Gott sein werden, wird es aber keine Zeit mehr geben. Diese Schwierigkeit begleitet uns bei all unserem Reden. Ewigkeit ist nicht eine lange Zeit, sondern ein von Gott erfülltes Leben. Wenn wir für die Verstorbenen beten, dann bitten wir, dass Gott diese Wandlung – das sogenannte Fegefeuer – an ihnen mit großer Barmherzigkeit vollziehen möge. Das Gebet bezieht sich nicht auf die Dauer der Reinigung, sondern ist Zeichen der Liebe zu den Verstorbenen.
KIZ: Welche Gebete sind im Zusammenhang mit dieser Reinigung passend?
Ich möchte zuerst von Gebeten reden, die ich nicht gelungen finde. Dazu gehören alle Texte, die falsche Vorstellungen wecken. Das betrifft zum Beispiel Verse wie "Erlös die armen Seelen aus der heißen Glut" und ähnliche.
KIZ: Können Sie positive Beispiele geben?
Das Zweite Vatikanische Konzil sagt über die Begräbnisse: sie sollen so gestaltet werden, dass der österliche Sinn des Todes erlebbar wird. Die Auferstehung Jesu ist die Tonart, in der alle Gebete gehalten sein sollen.
KIZ: Wie ist es mit dem Gebet: Herr, gib ihnen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen?
Ruhe ist ein biblisches Wort. Es bedeutet nicht Ruhe haben „von“ etwas, sondern ruhen „in“ etwas im Sinne des hl. Augustinus: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Das weist hin auf das schönste Bild des ewigen Lebens, das wir kennen: auf liebende Menschen, die voneinander erfüllt sind und die einander Geborgenheit schenken. Wenn Menschen einander ein erfülltes Leben schenken können, um wieviel mehr Gott!
Interview: Josef Wallner
Allerseelen
Der Toten zu gedenken ist ein allgemein menschlicher Brauch, dem sich auch die Christen nicht entzogen haben. So haben Christen ganz selbstverständlich am römischen Totenfest teilgenommen. Schon im 2. Jh. gibt es Zeugnisse, dass bei solchen Feiern christliche Gebete für die Verstorbenen eingeschlossen waren und mit der Eucharistie verbunden wurden.