Wenn im Internat eine Grippewelle ausbrach und die Zahl der Kranken von fünf auf zehn und oft auf über zwanzig anstieg, kam der Erzieher an seine Grenzen. War er doch allein für die Betreuung der Patienten veranwortlich. Vor allem war es gar nicht leicht, die wirklich Kranken von denen zu unterscheiden, die das Fieberthermometer ganz kurz in die Tasse mit warmem Tee steckten, um so noch einige schulfreie Tage herauszuschinden. Der Überblick über wirkliche und angebliche Grippepatienten ging regelmäßig verloren. In seiner Ratlosigkeit hat der Erzieher eines Tages Strafen jenen angedroht, bei denen die Fieberkurve nicht rasch genug sank. Jeder musste trachten, dass er fieberfrei wurde. Mich hat diese Maßnahme maßlos geärgert. Heute wäre ich froh, wenn auch ich mit einer solchen Maßnahme drohen könnte. Es geht um eine Anzeige, die mich sehr an ein Fieberthermometer erinnert: die Zapfsäule an der Tankstelle. Ich bin nicht der Einzige, der mit sorgenvollem Blick auf das Display schaut, wenn er zum Tanken fährt und den Zapfhahn abnimmt. Welche neuen Höhen wird denn das Zapfsäulen-Thermometer schon wieder erreicht haben? Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Bosse der Ölkonzerne hinter unser aller Rücken das Preisthermometer in den warmen Tee halten und sich ins Fäustchen lachen.