Jugendstudien bestätigen es in regelmäßigen Abständen: die größte Angst von jungen Menschen ist es, ihr Zuhause, ihre Familie zu verlieren oder ohne Freunde zu sein. Der Verlust des festen Lebensfundaments, der tragenden Beziehungen bedrückt das Herz schwer.
Ausgabe: 49/2017
05.12.2017 - Bischof Benno Elbs
Wenn wir mit offenen Augen durch die Straßen unserer Städte und Dörfer gehen, begegnen wir vielerlei Nöten. Meist bleiben sie versteckt und unerkannt: Ältere Menschen, die mit wenig auskommen müssen, die, um zu sparen, die Heizung nicht einschalten. Manchmal sind es Familien mit mehreren Kindern. Wer einmal bei der Initiative „Tischlein deck dich“ mitgeholfen hat, die jede Woche bis zu 20 Tonnen Lebensmittel an bedürftige Menschen weitergibt, kann damit in Berührung kommen. Auch bettelnde „Armutsreisende“ konfrontieren uns damit.
Tröstet mein Volk
Wenn man diese Menschen und ihre Lebensschicksale mit dem Herzen betrachtet und nicht in Vorurteile verfällt, dann kommen wir dem nahe, was der Prophet Jesaja im Text des zweiten Adventsonntags meint: „Tröstet, tröstet mein Volk“, hören wir da. Einem Menschen, der aus irgendeinem Grund traurig ist, Trost spenden, ihm zuhören, seine Last teilen, seine Bürde mittragen, das ist ein kostbares Geschenk in einer bedrückenden Situation. Ursachen dafür gibt es so viele: eine Trennung, Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen, Verlust des Arbeitsplatzes, eine Krankheit, eine seelische Last, Heimatlosigkeit. In einem trostvollen Bild malt der Prophet Jesaja aus, was das Kommen Gottes bewirkt: die tiefen Täler der Tränen heben sich und verletzende Kurven unserer Lebenswege werden begradigt.
Boten der Freude
Sich auf Weihnachten vorzubereiten heißt deshalb, dass die Täler sich heben sollen, die Berge und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade, was hügelig ist, soll eben werden. Es geht darum, dass Wunden von Menschen geheilt und Herzen von Menschen gewärmt werden. Wenn wir versuchen, das zu verwirklichen, dann kann das entstehen, was in der Bibel mit Freude gemeint ist: „Steig auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude!“ Und sage den Menschen: „Fürchte dich nicht!“ Den schweren, düsteren Lebensbildern stehen Bilder der Freude, der Erlösung, der Zuversicht gegenüber. Das ist die tiefe Botschaft von Weihnachten: In alle Situationen des Lebens leuchtet Trost, in allen Situationen des Lebens kann auch die Sonne der Freude scheinen. Das geschieht jedoch nicht einfach von selbst. Es braucht Schritte, Anstrengungen und gegenseitige Zuwendung, damit der Weg für die Freude gebahnt wird. „Trauerarbeit“ nennt das die Psychologie. Das bleibt uns als eine sichere Orientierung, um das Ziel aller Wege menschlichen Lebens nicht aus den Augen zu verlieren: Vergiss die Freude nicht!
Ein Licht anzünden
Ein Gang durch den Advent mit Bischof Benno Elbs Teil 2 von 4